Nach einer Umfrage des Klimaforum Bau liegt eine wesentliche Hürde bei der Umsetzung nachhaltiger Bauprojekte in den damit verbundenen höheren Investitionskosten. Während wir uns in unserem Workshop „Was kostet klimagerechtes Bauen“ mit den tatsächlichen Kostentreibern nachhaltiger Bauweisen auseinandergesetzt haben, nehmen wir im Rahmen dieses Artikels die Perspektive der Investoren bzw. Vermögensverwalter ein. Genau von dieser Richtung findet momentan ein massiver Wandel im Umgang mit nachhaltigem Bauen statt, welcher die Immobilienwirtschaft und damit auch unsere Art zu planen und zu bauen wesentlich verändern wird. Insbesondere die Evaluierung der unternehmerischen Sozialverantwortung durch die “Environmental Social Governance” (kurz ESG) setzen dabei neue Kräfte in Bewegung.
Doch warum tritt ESG augenblicklich so in Erscheinung? Was bewegt Investoren? Und was sind ihre Strategien, um auf die veränderten politischen Rahmenbedingungen zu reagieren? Im Rahmen einer Vortragsreihe haben wir uns diesmal mit der „Perspektive und Anforderungen der Investoren an klimagerechte Bauprojekte“ auseinandergesetzt. Hermann Horster, Head of Sustainability bei BNP Paribas Real Estate Consult GmbH und DGNB Vizepräsident sowie André Meyer, Leiter Kompetenzcenter Nachhaltige Immobilien bei der GLS Gemeinschaftsbank eG gaben uns dabei interessante Einblicke auf nachhaltige Bauprojekte, Märkte, Strategien und Herausforderungen und diskutierten diese mit interessierten Zuhörern. Im Folgenden sind einige der Erkenntnisse zusammengefasst.
Green Deal, ESG & Taxonomie: Politische Maßnahmen treiben Transformation
Die Klimakrise und Umweltprobleme, welche aus unserem bisherigen Handeln hervorgehen, sind mittlerweile unumstritten und ausreichend dokumentiert. Die Politik reagierte auf nationaler Ebene unter anderem mit der Bepreisung von Emissionen mittels CO₂-Zertifikaten oder dem Gebäudeenergiegesetz. Auf europäischer Ebene wurden darüber hinaus Beschlüsse wie der EU-Green Deal, ESG & Klimaschutz, Sustainable Finance, Taxonomie oder die Gebäude-Renovierungswelle in die Wege geleitet. Diese neuen Beschlüsse – insbesondere auf EU-Ebene – führen momentan dazu, dass Investoren und Vermögensverwalter ihre Anlagestrategien anpassen. Zu beobachten ist dabei, dass diese Transformation – je nach Kapazität und Willensstärke der Einrichtung – in unterschiedlichen Geschwindigkeiten vollzogen wird. So haben die großen Investoren bereits heute neue Bewertungs- und Anlagestrategien, welche Nachhaltigkeitsaspekte in die Bewertung mit einbeziehen. Neue Positionen wie ein „Head of Sustainability“ wurden geschaffen, welche mit einem großen Team Nachhaltigkeitspfade erarbeiten und klare Nachhaltigkeitsziele definieren und überprüfen.
Kleineren Investoren hingegen steht diese Umstellung zumeist noch bevor. Durch den Trickle-Down-Effekt ist jedoch zu erwarten, dass diese Umstellung flächendeckend und zeitnah vollzogen wird. Gründe für eine Ausrichtung der Investitionsbeteiligungen an Nachhaltigkeitskriterien gibt es dabei genügend. Diese kann ganz profan und menschlich durch die Tatsache begründet werden, dass das Geld für den Menschen da ist, wie es unter anderem von der GLS-Bank proklamiert wird. Darüber hinaus müssen sich Investoren und Banken immer mehr der Frage stellen, an wen sie das Objekt zukünftig weiterverkaufen möchten, wenn Nachhaltigkeitsaspekte über das Image eines Gebäudes bestimmen und Energiekosten (durch gesteigerte CO₂-Kosten) zu einem wesentlichen Faktor der Betriebskosten geworden sind.
Werkzeuge zur Messung von Nachhaltigkeitsaspekten
In welcher Form betrifft das nun die am Neubau beteiligten Personen wie Bauherren, Bauträger, Planer oder Architekten? Einerseits sind sie konkreten Nachhaltigkeits-Anforderungen seitens der Nutzer unterworfen. Auf der anderen Seite müssen sie auch der gesteigerten Nachfrage der Investoren nach Nachhaltigkeit gerecht werden. Doch wie wird dieser allgemeine Begriff zu einer messbaren Größe? Um diese zu verstehen, lohnt sich ein tieferer Blick in die EU-Beschlüsse sowie die daraus abgeleiteten Werkzeuge der Banken zur Messung von Nachhaltigkeitsaspekten.
Es besteht weitestgehend Konsens darüber, dass sich Nachhaltigkeit in den wesentlichen Handlungsfeldern „Umwelt“, „Soziales“ und „Wirtschaft“ wiederfindet – der sogenannten Triple-Bottom-Line. Auf Gebäude projiziert bedeutet dies auf nationaler Ebene entsprechend des „Leitfadens Nachhaltiges Bauen“ (herausgegeben vom Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat), dass Gebäude neben einer technischen Qualität und Prozessqualität auch eine ökologische, ökonomische sowie soziokulturelle und funktionale Qualität aufweisen müssen. Die in Deutschland üblichen Zertifikate, welche die Nachhaltigkeit der Planung und Ausführung dokumentieren (DGNB, BREEAM oder LEED) decken sich weitestgehend mit dieser Definition. Orientierung darüber, was nachhaltiges Bauen bedeuten kann, geben darüber hinaus die auf internationaler Ebene definierten Sustainable Development Goals (SDGs), welche verbindliche Ziele für eine nachhaltige Entwicklung festlegen. Auch wenn es keine verbindliche Überführung der SDGs auf nationale, deutsche Ebene gab, wird eine Vielzahl der darin enthaltenen Punkte in den verbreiteten Zertifikaten DGNB, BREEAM oder LEED berücksichtigt, sodass garantiert wird, dass Neubauten auf die SDGs einzahlen. Verglichen damit erscheint das ESG zunächst als eine unverbindliche Auswahl unterschiedlicher Nachhaltigkeitsaspekte. Ob die Schwerpunkte auf Umwelt (CO₂-reduziertes Bauen, Energieverbrauch, Klimaneutrale Gebäude, Nutzung erneuerbare Energien, Kreislaufwirtschaft, Wassererbrauch, …), Soziales (Gesunde Materialien, Behaglichkeit, nachhaltige Mobilität, Barrierefreiheit, soziales Wohnen, …) oder Governance (Green Lease Verbrauchsdaten, Transparenz gegenüber Nutzern, Investoren und staatlichen Organen, Einhaltung von Rechen – und Offenlegungspflichten, …) gelegt werden soll, ist nicht verbindlich festgelegt. Diese unklaren Kriterien führten bisher zu weitreichenden Unklarheiten und Problemen.
EU-Taxonomie Verordnung und Offenlegungsverordnung
Um Greenwashing zu verhindern und Investitionsvolumen in grüne Gebäude zu leiten, kommen nun jedoch aus Brüssel die sogenannte EU-Taxonomie Verordnung (TVO) sowie die Offenlegungsverordnung (OVO). Die TVO bestimmt dabei konkrete ESG-Kriterien, welche für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten gelten müssen. Durch diesen Maßnahmenkatalog mit ca. 700 Seiten existieren harte Kriterien, unter welchen Bedingungen ein Fonds sich als nachhaltig bzw. ESG bezeichnen darf. Zentrale messbare Kategorien sind beispielsweise die CO₂-Emissionen, der Wasserverbrauch oder Abfallvorkommen, aber auch die Diversität von Gremien oder die Arbeitsbedingungen von Unternehmen. Nach wie vor kann ein Investor nicht-nachhaltige Investments tätigen und ohne die ESG-Kriterien handeln. Im großen Unterschied zu vorher darf er diese inzwischen aber nicht mehr nachhaltig nennen, einem Greenwashing wird damit entgegengewirkt. Da Anleger vorwiegend auf grüne Fonds setzen und dies in Zukunft ein immer wichtigeres Anliegen wird, werden Vermögensverwalter so zu einem Umdenken angestoßen. Wichtige ESG-Kriterien der TVO sind dabei der Klimaschutz, die Anpassung an den Klimawandel, der Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, der Übergang zur Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling, Vermeidung von Umweltverschmutzung und der Schutz gesunder Ökosysteme. Die OVO schafft zusätzlich Transparenz im Umgang mit Nachhaltigkeit durch die Klassifizierung von ESG Produkten in Kategorien wie Art. 6 Fonds, welche relativ gering ESG-Ziele berücksichtigen, Art 8 Fonds, die stärker ESG-Ziele berücksichtigen und Art 9 Fonds, welche ESG-Ziele mit Rendite-Zielen gleichsetzen.
Risiko der Stranded Assets
Zur Erfassung und Bewertung entwickeln Investoren und Asset Manager momentan Analysetools, darunter das Bestandsanalysetool ECORE, welches durch eine Initiative großer Immobilien-Bestandshalter entwickelt wird und ESG-Kriterien transparent und messbar auf Immobilienebene überführt. Ein weiteres wichtiges Werkzeug ist die Aufführung von Klima- bzw. Decarbonisierungspfaden für einzelne Gebäude bzw. Portfolios. Abgestimmt auf das 1,5 °C-Ziel wird mithilfe dieses Pfades dargestellt, ob dieses alle notwendigen Voraussetzungen erfüllt, um bis 2050 emissionsfrei zu sein. Gebäude, welche dies nicht aufweisen können, verlieren aufgrund der gesteigerten Betriebskosten (insbesondere Heizkosten) und aufgrund des Imageverlustes an Attraktivität. Im schlimmsten Fall können sogar Mietverbote drohen, wie sie bereits in Frankreich ausgesprochen wurden. Das Risiko eines “Stranded Asset”, eines „gestrandeten“ Vermögenswertes, hängt damit maßgeblich von der Nachhaltigkeit des Gebäudes ab. Durch die entsprechenden Analysetools wird dieses Risiko nun messbar und Nachhaltigkeitskriterien direkt im Risikomanagement der Unternehmen verankert.
Auch in Deutschland ist daher mit einem massiven Umdenken zu rechnen, was unmittelbar die am Bau beteiligten Personen betreffen wird. Interessante Randnotiz ist dabei, dass die TVO die Anforderungen des DGNB übertrifft. Dies kann dazu führen, dass Gebäude, welche entsprechend des DGNB geplant und als nachhaltig klassifiziert wurden, entsprechend der TVO nicht als nachhaltige Investments geführt werden dürfen. So zählen Stand heute auch nur ca. 30 % der Immobilien als nachhaltig im Sinne der OVO. Eine Studie der Unternehmensberatung Price Waterhouse Cooper PWC zeigt jedoch, dass 75 % der großen Immobilieninvestoren in den nächsten Jahren in kein einziges Non-ESG-Produkt mehr investieren möchten. Für den Planer bedeutet dies ganz konkret, dass zeitnah ein radikaler Wandel vonseiten der Investoren gefordert wird. Der Prozess ist nun losgetreten und es ist zu erwarten, dass der Druck langsam aber stetig steigen wird. Eine möglichst zeitnahe Auseinandersetzung mit den geforderten ESG-Kriterien ist also dringend angeraten. Gerade kleineren Büros kann es dabei helfen, sich Partner zu suchen und Allianzen zu schmieden, um diesem Wandel zu begegnen. Das Klimaforum Bau wird dabei seiner Plattform-Rolle gerecht und unterstützt die Akteure dabei, miteinander ins Gespräch zu kommen, gemeinsam zu diskutieren, und geeignete Wege auszuloten, um die ESG-Anforderungen im Planungsprozess zu adressieren.
War der Gebäudesektor der einzige Sektor, der 2020 seine Klimaziele nicht erreicht hat, ist anzunehmen, dass nun auch hier ein massiver Wandel vollzogen wird. Die Finanzwirtschaft wurde durch die Taxonomieverordnung und die Offenlegungsverordnung nun in Verantwortung gezogen und wird dies zunehmend von Planern, Architekten und Bauherren einfordern. Die Reduktion der grauen Energie durch nachhaltige und heimische Materialien, wie sie beispielsweise in unserem Workshop „Nachhaltige Materialien“ diskutiert wurden, sowie eine CO₂-Reduktion während der Nutzungsphase durch eine angemessene Dämmung und den Einsatz von erneuerbaren Energietechnologien, wird zu einem wichtigen Verantwortungsbereich des Planers. Karin Barthelmer-Wehr, Geschäftsführerin des Instituts für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft, fasst dies prägnant zusammen: „Wer jetzt nicht handelt, den wird es in zehn Jahren nicht mehr geben“.