Nachhaltig, innovativ, zirkulär: Sächsischer Landespreis »Baupraxis der Zukunft« verliehen

Aufgereiht: Trophäen Baupraxis der Zukunft. Foto: André Wirsig/SMR
Aufgereiht: Trophäen Baupraxis der Zukunft. Foto: André Wirsig/SMR

Mit dem Sächsischen Landespreis »Baupraxis der Zukunft – nachhaltig, innovativ, zirkulär« hat der Freistaat Sachsen Neuentwicklungen des Bauens gesucht, die das Potenzial haben, die Bauwende hin zur Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit entscheidend mitzugestalten. Am 8. März zeichnete Staatsminister Thomas Schmidt die Gewinner auf der Dresdner Baumesse »Haus 2024« aus. Insgesamt vier Ideen haben die Jury so überzeugt, dass sie mit einem Landespreis geehrt wurden.

»Ich bin begeistert, dass es in Sachsen auf viele Fragen zur Nachhaltigkeit in der Baupraxis bereits beeindruckende Antworten aus der Praxis gibt. In insgesamt 30 Wettbewerbsbeiträgen haben die Einreicherinnen und Einreicher dargelegt, wie sie sich ihr Puzzlestück der Bauwende vorstellen. Danke für diese Ideen! Nur gemeinsam schaffen wir es, die ehrgeizigen Klimaziele im Bausektor zu erreichen.«

Staatsminister Thomas Schmidt
Verleihung des Sächsischen Landespreises »Baupraxis der Zukunft« in Dresden, Foto: André Wirsig/SMR
Verleihung des Sächsischen Landespreises »Baupraxis der Zukunft« in Dresden, Foto: André Wirsig/SMR

Recyclingfähiger Geopolymer-Baustoff

Der Landespreis in der Kategorie »Baustoffe« geht an das Projekt »GeopaZ«, das vom Institut für Technische Chemie der TU Bergakademie Freiberg eingereicht wurde. Das Forscherteam hat eine Technologie zur Herstellung von ziegelbruchbasierten Geopolymer-Baustoffen entwickelt. „Geopolymere sind Baustoffe, die sich verhalten wie Zement oder sogar noch teilweise bessere Eigenschaften haben als Zement, aber eben fast CO₂-frei sind in der Herstellung. Und Sie lassen sich grenzenlos recyclen“, erklärt Martin Bertau, der an der TU Bergakademie Freiberg den Lehrstuhl für Technische Chemie innehat. „Ich kann Polymere aber auch aufschäumen und erhalte ein Material, das ähnlich wie Styropor gute Dämmeigenschaften mitbringt. Dieser Stoff aber hat eine einzigartige Bauphysiologie. Es ist atmungsaktiver als herkömmliche Baustoffe. Das Gebäude atmet, es kommt nicht zur Schimmelbildung.“

Dadurch, dass beim Bau ein einziger Baustoff verwendet wird, ist später auch das Recycling der Baustoffe einfacher. „Ein weiterer Vorteil ist, dass Geopolymere nicht brennbar und säureresistent sind“, ergänzt Teammitglied Michael Kraft. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass der von ihnen entwickelte Geopolymer-Baustoff im nächsten Jahr den Sprung in die großtechnische Anwendung schafft. Der innovative Umgang des Projekts mit der sehr hohen Menge ziegelbruchbasierter Bauabfälle, die derzeit nur etwa zur Hälfte weiterverwertet und als Baustoffe geringerer Qualität eingesetzt werden, zeichnet den Beitrag als hochgradig relevant aus.

Außenwanddämmung mit integriertem, erneuerbarem Energiekonzept

Einen Landespreis in der Kategorie »Bauteile und Bauarten« erhält der Beitrag »SustainaShell« – eingereicht von der gleichnamigen Forschungsgruppe, die sich aus Vertreterinnen und Vertretern vom Institut für Bauklimatik der TU Dresden, der WiD Wohnen in Dresden GmbH & Co. KG und der EA Systems Dresden GmbH zusammensetzt. Die Projektgemeinschaft hat eine innovative Außenwanddämmung mit integriertem, erneuerbarem Energiekonzept zur eingriffsarmen Sanierung von Bestandsgebäuden entwickelt. Ein ganzes Quartier in Dresden-Hosterwitz soll dafür als Demonstrator dienen. Mittelfristig könnte bis zu einem Viertel des Dresdner Gebäudebestands mit regenerativen Lösungen versorgt werden.

Die Innovation bedeutet hier, das für die regenerative Versorgung notwendige wasserführende Flächenheizsystem von außen auf die Tragschicht aufzubringen und damit einen Mieterauszug oder Leerstand zu vermeiden. Zusätzlich wird ein Wärmedämmverbundsystem befestigt. Einen großen Neuwert hat die Befestigungstechnologie mit Spezialdübeln, da die Materialien dadurch rückbaufähig und recycelbar sind. Möglich ist zudem die Nachnutzung vorhandener Heizkörpersysteme auf geringem Temperaturniveau, was ebenfalls den Kreislaufgedanken des Systems stärkt.

Die Jury erachtete das Projekt als “wichtigen und innovativen Beitrag zur Bewältigung des enormen Umfangs der zu bewältigenden Sanierungsaufgaben unserer Städte und Gemeinden – in Verbindung mit dem Erreichen der Klimaschutzziele.” Die Entwicklung erleichtere die Sanierung maßgeblich und besitze das Potenzial, eine wirtschaftliche und sozialverträgliche Energiewende in großem Maßstab zu befördern.

Innovative Leichtbau-Thermowand

Ebenfalls in der Kategorie »Bauteile und Bauarten« gewonnen hat die Einreichung »C-Wall«. Der Preis geht an die gleichnamige Projektgemeinschaft, der Vertreter des C³ – Carbon Concrete Composite e. V. vom Institut für Massivbau an der TU Dresden sowie der Kahnt & Tietze GmbH und der Betonwerk Oschatz GmbH angehören. Sie hat Leichtbau-Thermowände in Carbonbetonbauweise entwickelt.

Die Jury lobte die “Qualifizierung des Carbonbetons als Massenbaustoff am Beispiel des Leichtbauwandsystems C-Wall. Der hohe Innovationsgrad der Leichtbau-Thermowände, die weit fortgeschrittene Forschung, Erprobung und in Teilbereichen bereits erfolgte Zertifizierung ermöglichen eine schnelle Umsetzbarkeit in größerem Maßstab. Die aufgezeigten Ressourceneinsparungen von 50 Prozent bei einer nahezu vollständigen Recyclingfähigkeit in Kombination mit der hohen Skalierbarkeit des Systems überzeugen die Jurymitglieder als tragfähigen Lösungsansatz, insbesondere für neue Wohnungsbauten.”

Die Leichtbau-Thermowand überzeugte vor allem durch ihren hohen Innovationsgrad, die schnelle Umsetzung in großem Maßstab, die enorme Ersparnis an Ressourcen sowie die nahezu vollständige Recyclingfähigkeit. Grafik © C³ – Carbon Concrete Composite e. V.

Die Leichtbau-Thermowand überzeugte vor allem durch ihren hohen Innovationsgrad, die schnelle Umsetzung in großem Maßstab, die enorme Ersparnis an Ressourcen sowie die nahezu vollständige Recyclingfähigkeit. Grafik © C³ – Carbon Concrete Composite e. V.

Lehmprodukte aus regionalem Abraum

Mit dem Sonderpreis »Baustoffe, Bauteile und Bauarten« wird der Bauzirkel – Verein für ökologisches Bauen Leipzig e. V. für die Entwicklung von Lehmprodukten aus regionalem Abraum ausgezeichnet. In der Tongrube Leipzig-Liebertwolkwitz lagern 60.000 Tonnen von bereits gefördertem, für die Keramikherstellung ungeeignetem Ton. Jährlich kommen 30.000 Tonnen hinzu. Eine Projektgruppe des Bauzirkels Leipzig testete die Nutzung für Baustoffe, stellte Putze, Leichtlehmsteine und Lehmkleber her.

Prototypen einer studentischen Forschungsarbeit bestätigten die Eignung für die Herstellung von Lehmbauplatten. Plattenförmige Versuchskörper wurden mit einem hohen Strohanteil im Pressverfahren hergestellt und technisch getrocknet. Die Optimierung der Zusammensetzung und Vorbereitung einer Zertifizierung bedürfen weiterer Forschung.

Dreipunkt-Biegezugversuch, Foto: Bauzirkel – Verein für ökologisches Bauen Leipzig e. V.

Im nächsten Schritt soll dazu auf dem Gelände der Tongrube eine öffentlich zugängliche Forschungs- und Versuchsproduktion aufgebaut werden. In Workshops sollen Interessierte befähigt werden, Lehmprodukte aus Abraum aufzubereiten und Baustoffe für den Eigenbedarf herzustellen. In Kooperation mit der Tongrube und der HTWK Leipzig soll Wissen um die Entwicklung von Lehmprodukten aus Abraum verbreitet und die Grundlage geschaffen werden, das geförderte Tonvorkommen regional zu nutzen. Der Beitrag wurde von der Jury als “herausragend und schlüssig in Bezug auf Abfallvermeidung, sorgfältigen Umgang mit Ressourcen, Wiederverwertungskonzeption und Prozessqualität gewürdigt. […] Die Weitergabe von Wissen, Begeisterung und Lust am qualifizierten Experiment in Sachen Nachhaltigkeit wird zum Plädoyer für das ‚Selberbauen‘.”

Je 7.500 Euro Preisgeld für Innovationen aus Sachsen

Der Sächsische Landespreis ist mit insgesamt 30 000 Euro dotiert. Die Preisträger erhalten ein Preisgeld in Höhe von je 7 500 Euro. Zudem vergab die Jury sechs Anerkennungen. Der Landespreis Baupraxis entstand aus einem Impuls des simul⁺InnovationHubs. Er ist eine der wichtigen Ideenschmieden und Plattformen für das gemeinsame Entwickeln und Entdecken von Innovationen in Sachsen. »Die Einreichungen beim Landespreis Baupraxis fügen sich nahtlos ein in die vielen Ideen und Projekte, die im Bereich Innovation ohnehin in Sachsen schon ihren Weg gehen«, so Staatsminister Schmidt weiter.

Die Trophäen für die Preisträger des im Jahr 2023 von Sachsens Staatsminister für Regionalentwicklung ins Leben gerufenen Wettbewerbs kommen deshalb aus dem simul⁺Reallabor Sustainable Additive Manufacturing in Saxony (nachhaltige, additive Fertigung in Sachsen), kurz SAMSax. Sie wurden aus Miscanthus und Steinrestauriermörtel im 3D-Verfahren gedruckt. Das Modellprojekt SAMSax setzt auf die Wiederverwertung von biobasierten, natürlichen sowie industriellen Reststoffen.

Hintergrund

Der Sächsische Landespreis »Baupraxis der Zukunft – nachhaltig, innovativ, zirkulär« wurde im Oktober 2023 erstmals ausgelobt. Zusammen mit dem Sächsischen Staatspreis für Baukultur, dem Staatspreis Ländliches Bauen und weiteren fachspezifischen Auszeichnungen ist er unter dem inhaltlichen und organisatorischen Dach »Baukultur in Sachsen« vereint.

Ziel des Wettbewerbs war es, einen Überblick zu erhalten, welche Konzepte, Ideen, Forschungsergebnisse und Prototypen für eine nachhaltige Baupraxis der Zukunft bereits in Sachsen bestehen. Welche Potenziale können gehoben werden? Zudem soll das Nachdenken über eine zukunftsfähige Baupraxis in den Fokus der Öffentlichkeit gestellt werden. Mit dem Preis werden sächsische Initiativen und Beiträge gewürdigt, die sich mit Innovationsfreude um die Neu- und Weiterentwicklung von Baustoffen, Bauteilen und Bauarten verdient machen.

Bewerben konnten sich Einzelpersonen und Institutionen aus Sachsen mit und ohne fachlichen Qualifikationen in einem baufachlichen oder verfahrenstechnologischen Beruf in den genannten drei Kategorien. Die Auswahl der eingereichten Projekte erfolgte durch eine unabhängige Jury, in der Fachleute mit verschiedenen Arbeitsschwerpunkten vertreten waren, darunter Bauingenieure, Architekten und Handwerker.

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