Für die Klimafreundlichkeit des Bauens kann Holz eine zentrale Rolle spielen, etwa im dringend benötigten Wohnungsbau und bei der Aufstockung von bestehenden Gebäuden. Doch um den Baustoff stärker zu etablieren, müssen die Eigenschaften weiter erforscht und die idealen Verwendungsmöglichkeiten sowie technischen Details herausgearbeitet werden. Hier leistet das Institut für Holzbau der Hochschule Biberach (HBC) mit unterschiedlichen Forschungsprojekten einen relevanten Beitrag.
Mit dem Schwingungsverhalten von Holzdecken etwa befasst sich Professorin Dr.-Ing. Patricia Hamm. Dabei ist es ihr und ihrem Team gelungen, das Schwingungsverhalten von Holzdecken mit weiten Spannweiten zu analysieren. Denn bei weit gespannten Decken kommt es zu Vibrationen, die zwar nicht hörbar, aber fühlbar und in dem Fall störend sein können. Wirkt man mit großen Querschnitten dagegen, entstehen hohe Kosten und die Bauweise wird unwirtschaftlich. Seit zweieinhalb Jahren geht die Bauingenieurin deshalb der Frage nach, wie solche Holzdecken optimiert werden können.
Schwingungsminimierende Auslegungssystematik für Holzdecken
Zielsetzung ist eine standardisierte und schwingungsminimierende Auslegungssystematik für Holzdecken mit Unterzügen und großen Spannweiten, die vor allem für größere Bauwerke wie Schul-, Verwaltungs- oder Bürogebäude geeignet ist. An einem Deckenfeld von fast 150 Quadratmetern führte das Team mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern Johannes Ruf und Valentin Knöpfle fast 2500 Messungen durch. Die Versuchsreihe ist inzwischen abgeschlossen – die Ergebnisse stellte Patricia Hamm bei einer internationalen Fachtagung in Norwegen vor.
Die World Conference on Timber Engineering (WCTE) fand vom 19. bis 22. Juni in Oslo statt und ist das weltweit führende wissenschaftliche Forum für die neuesten technischen wie architektonischen Lösungen und Innovationen im Holzbau. Prof. Dr.-Ing. Hamm hatte bereits bei WCTE Konferenzen in Riva und Wien vorgetragen, in Seoul, Korea war sie Mitautorin eines Beitrags. „Wir haben seit Januar 2021 intensiv an dem Projekt gearbeitet und nach unserem Kenntnisstand ist der Versuchsaufbau in dieser Dimension einmalig“, so Prof. Hamm, die in der Fakultät Bauingenieurwesen und Projektmanagement der Hochschule Biberach Holzbau lehrt. Getestet wurden unterschiedliche Aufbauten und Geometrien. Sowohl Stahl- als Holzunterzüge kamen dabei zum Einsatz, ebenso variierte die Größe der Deckenfläche. Weil zunächst kein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden konnte, entwickelten Prof. Hamm und ihr Team Schwingungsdämpfer, welche die Schwingungen reduzieren sollen. Hierzu sind weitere Untersuchungen erforderlich, um eine spürbare Verbesserung der Schwingungen als auch eine deutliche Materialeinsparung erreichen zu können.
„Die Qualität unserer Ergebnisse hat die WCTE-Jury überzeugt und mich als Speaker eingeladen. Darüber freuen wir uns sehr“, so Hamm, die von ihren Mitarbeitern sowie dem emeritierten Professor Kurt Schwaner nach Oslo begleitet wurde, der an der HBC nach wie vor als Dozent tätig ist. Für die Biberacher Wissenschaftler*innen sind auch die weiteren wissenschaftlichen Beiträge sowie der Austausch mit anderen Teilnehmenden wichtig. Was sie dort an Neuerungen erfahren, werden sie in ihre Arbeit in Forschung und Lehre der Hochschule Biberach einfließen lassen. Die Studierenden der HBC profitieren schon jetzt von den Ergebnissen des Forschungsprojektes. So wurden etliche Exkursionen zum Prüfstand unternommen, der außerhalb der HBC bei einem regionalen Industriepartner aufgebaut war, zahlreiche Studien- und Abschlussarbeiten sind unter der Betreuung von Patricia Hamm zum Thema entstanden. Aktuell entsteht ein Lehrvideo, das die Vorlesungen künftig ergänzt. Darin wird der Versuch im Schnelldurchlauf abgebildet, so dass die Studierenden eine konkretere Vorstellung davon erhalten, wie die Schwingungen einer Decke gemessen und bewertet werden können, auch wenn sie den Prüfstand nicht selbst in Augenschein nehmen.
Mit ihrem Team ist Prof. Hamm bereits in der Vorbereitung für ein Folgeprojekt, mit dem das Schwingungsverhalten von Holzdecken weiter optimiert werden soll. Auch zahlreiche Anfragen aus der Bauwirtschaft haben das Forschungsteam bereits erreicht: „Viele Unternehmen und Firmen bieten ihre Unterstützung für weitere Untersuchungen an, denn sie haben selbst großen Bedarf und starkes Interesse an der Optimierung weitgespannter Holzdecken“, so die Professorin. Der Prüfstand wurde zum Teil eingelagert – wird der Folgeantrag bewilligt, erfolgt der Wiederaufbau für weitere Testungen.