Hitzeinseln schon in der Planung verhindern

Berechnete Physiologisch Äquivalente Temperatur (PET) auf 2 m über Boden um 11:00 am 12. Juli 2035 (Bild HSLU). Gut zu erkennen sind die tieferen Temperaturen der Grünflächen und unter den Bäumen im Vergleich zu den heißen Straßen und Wegen.
Berechnete Physiologisch Äquivalente Temperatur (PET) auf 2 m über Boden um 11:00 am 12. Juli 2035 (Bild HSLU). Gut zu erkennen sind die tieferen Temperaturen der Grünflächen und unter den Bäumen im Vergleich zu den heißen Straßen und Wegen.

Städte- und Quartierplanung erhält in Zeiten des Klimawandels eine neue Dimension. Eine Frage, die sich dringend stellt: Wie verhindert man einen Hitzestau durch Gebäude? Die Hochschule Luzern hat ein Tool entwickelt, mit dem sich das Mikroklima in bestehenden und geplanten Quartieren in Sekundenfrist berechnen lässt.

Die Klimaveränderungen machen insbesondere im Sommer den Städten zu schaffen. “Hitzeinsel” ist zum allgegenwärtigen Thema geworden. Wer größere Quartiere plant, kann einen Hitzestau jedoch vermeiden. Entscheidend dafür sind eine auf die Umgebung abgestimmte Setzung der Gebäude, die Wahl der Materialien von Fassaden und Außenflächen, Grünflächen sowie eine geschickte Beschattung. Die Auswirkungen dieser Faktoren sollten eigentlich schon in einer frühen Planungsphase berücksichtigt werden. Dafür allerdings müssten Architektinnen und Architekten Computermodelle beiziehen, die die Auswirkung der entscheidenden Faktoren für einen bestimmten Ort berechnen können. Das Problem der bestehenden Modelle: Die Berechnung ist zeit- und kostenintensiv. Deshalb wird auf ihren frühzeitigen Einsatz meist verzichtet. Die Hochschule Luzern (HSLU) hat nun eine neue interaktive Quartierklima-Modellierung (QKM) entwickelt, die sich auf die phasengerechten Informationen beschränkt und in Sekundenschnelle Resultate liefert. Finanziert wurde das Projekt durch die Stiftung Infinite Elements sowie die HSLU.

In der Planungsphase muss es schnell gehen

Für bauliche Großprojekte bewerben sich Architekturbüros normalerweise in einem aufwändigen Wettbewerbsverfahren unter hohem Zeitdruck. “Sie müssen eine Vielzahl von Anforderungen in ihrem Entwurf berücksichtigen, eine ist davon das Mikroklima”, erklärt Simulations-Experte Prof. Markus Koschenz von der Hochschule Luzern. Hohe Kosten und zweitägige Wartezeiten lägen in dieser kreativen Arbeitsphase für die Architektinnen und Architekten gar nicht drin. Genau dies hätten sie aber bisher in Kauf nehmen müssen, wenn sie die komplexen Berechnungen einbeziehen wollten. Was also, wenn man ein Wettbewerbsprojekt gewinnt und erst dann feststellt, dass die Gebäudesetzung unglücklich gewählt wurde? Die Jury hat sich ja für die vorgeschlagene Lösung entschieden; fundamentale Anpassungen sind in der Phase nach der Jury-Entscheidung nicht mehr vorgesehen – auch wenn die nachträgliche Berechnung des Mikroklimas dies nahelegen würde. Kurz, das Dilemma ist auf diesem Weg nicht lösbar. Nun machen die wärmeren Sommertemperaturen den Menschen heute schon zu schaffen. Die Erwärmung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten wird zunehmen, was gerade für ältere Menschen lebensgefährlich sein kann. Und Überbauungen, die jetzt in Planung sind, werden auch in fünfzig Jahren noch stehen. Dies alles bei der Planung zu ignorieren, scheint fahrlässig. 

Resultate in Sekundenschnelle

“Gefragt ist ein Instrument zur Berechnung des Mikroklimas, das kostengünstiger ist und vor allem sehr schnell Resultate liefern kann”, sagt Koschenz. Sein Kernteam mit Andrii Zakovorotnyi, Reto Marek und einem externen Revit-Spezialisten hat dieses Instrument an der Hochschule Luzern entwickelt. Er erklärt: “Bestehende Verfahren benutzen allgemeingültige Instrumente der Computational Fluid Dynamics (CFD). Mit diesen Instrumenten lassen sich von Spezialisten Maschinen entwickeln, Strömungen an Flugzeugen untersuchen oder das Mikroklima in Quartieren bestimmen. Sie sind mächtig, aber auch entsprechend aufwändig. Unser Modell konzentriert sich auf den Aspekt des Quartierklimas und wir arbeiten mit schnell rechnenden Algorithmen”, begründet Koschenz den frappanten Unterschied in der Berechnungsgeschwindigkeit. So dauert es Sekunden oder höchstens wenige Minuten, bis die Auswirkungen einer Änderung berechnet sind. Das Tool könne ab dem ersten Schritt im Planungsprozess durch die Planenden selbst eingesetzt werden. Man kann damit zum Beispiel mit wenig Aufwand zwei Varianten der Fassadengestaltung oder der Bepflanzung mit Bäumen in einem Innenhof vergleichen. Und dies nicht nur für einen Sommertag, sondern für eine ganze Sommerperiode. 

Überprüfung des Modells mit Messungen

Die Informationen zu den geplanten Gebäuden, ihrer Position, den verwendeten Materialien oder die Art und Position von Grünflächen und Bäumen bezieht die interaktive Quartierklima-Modellierung aus dem Planungstool Revit, das bereits in Architektur- und Landschaftsplanungsbüros eingesetzt wird. Daraus berechnet das physikalische Modell die Auswirkung von Strahlung, Schatten, Wärmespeicher-Eigenschaften der Materialien, Luftströmung, Vegetation und Tageszeit auf das Quartierklima. Bilder mit Farbskalen zeigen intuitiv verständlich die Resultate an. Den Beweis, dass das Modell richtig funktioniert, hat Koschenz’ Team mit Messungen im Suurstoffi-Quartier in Rotkreuz erbracht und die Resultate auch mit denen bestehender kommerzieller Software verglichen. Koschenz ist mit den Resultaten überaus zufrieden: “Wir können sagen: Die Übereinstimmung sowohl mit den Messungen als auch mit den Ergebnissen anderer Software war hoch. Damit ist unser Tool bei gleicher Genauigkeit viel schneller”.

Auf Nachfrage von Klimaforum Bau befindet sich das Tool derzeit im Abschluss der Beta-Test-Phase und die Beteiligten befassen sich mit der Kommerzialisierung des Instrumentes. Kurzfristig werden Berechnungen für Kunden direkt durchgeführt. Bei Interesse empfehlen wir den Kontakt zu Projektleiter Prof. Markus Koschenz, die Kontaktdaten finden Sie unter “Weiterlesen”.

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