Ein Haus aus Papier? Gebaut in kürzester Zeit und aus nachwachsenden Rohstoffen? Was heute noch utopisch klingt, könnte bald schon Realität werden. Die interdisziplinäre Forschungsgruppe „BAMP! Bauen mit Papier“ der Technischen Universität Darmstadt beschäftigt sich seit 2017 mit der Frage, wie Papier als nachhaltiges Baumaterial etabliert werden könnte und welche Herausforderungen, aber auch Möglichkeiten und Chancen für Gestaltung und Architektur mit diesem Thema einhergehen. 2021 wurden die Ergebnisse bereits in einer ortsspezifischen Installation auf der Architekturbiennale in Venedig ausgestellt, die vom „ECC – European Cultural Centre“ die Auszeichnung für das beste Universitätsprojekt erhielt. Das zukunftsweisende Projekt wird nun in einer Ausstellung am Papiermuseum Düren präsentiert, die vom Fachgebiet Plastisches Gestalten des Fachbereichs Architektur der TU Darmstadt kuratiert und entwickelt wurde.
Seit über fünf Jahren arbeiten Wissenschaftlerinnen und Gestalterinnen unterschiedlicher Fachdisziplinen der Fachbereiche Architektur, Ingenieurwissenschaften, Mathematik, Maschinenbau und Chemie an der TU Darmstadt zusammen und entwickeln Ansätze, Papier und Karton als Baumaterial zu verwenden. In der Baubranche ist die Verwendung von Papier, abgesehen von einigen Ausnahmen, aktuell noch Zukunftsmusik. Nachteile sind, dass Papier empfindlich auf das Einwirken von Feuchtigkeit reagiert und der Klasse der leicht entflammbaren Baustoffe angehört. Doch den negativen Aspekten stehen Positive gegenüber: Hohe Festigkeitseigenschaften bei geringem Eigengewicht, die gute Form- und Modifizierbarkeit und eine einfache chemische Funktionalisierung sind nur einige davon. Papier und Karton werden aus Zellulosefasern hergestellt, die wiederum aus Holz oder anderem Pflanzenmaterial und damit aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden. Die Verknappung von Beton, Sand und anderen Baustoffen wird sich in den kommenden Jahren verstärken. Zudem lassen sich die heute verwendeten Baustoffe oftmals nur schwer oder gar nicht recyclen – ganz im Gegensatz zu Papier, dessen Fasern mehrfach in den Materialkreislauf zurückgeführt werden können. Genau hier könnte das größte Potenzial von Papier liegen.
Wie kann im Rahmen der Forschung das Bauen mit Papier weiterentwickelt werden? Wie kann man Papier feuchtigkeitsabweisend ausstatten? Kann Papier durch Nachbehandlung feuerbeständig werden? Welche neuen Anforderungen für eine Architektur aus Papier ergeben sich? Diesen und vielen anderen Fragen ist das interdisziplinäre Forschungsteam nachgegangen. Entstanden ist ein breites Spektrum an Modellen und Objekten, Verarbeitungsmethoden, Erkenntnissen zu Eigenschaften des Materials, sowie Methoden des Fügens, des Verformens, des Ausrüstens und der Kombination.
Eine Vielzahl an Exponaten kann bis zum 9. Oktober 2022 in einem überdimensionalen Regal aus Pappröhren im Papiermuseum Düren besichtigt werden. Das Baumaterial für die Ausstellung wird von der Firma Paul & Co GmbH & Co KG zur Verfügung gestellt.
Ein großer Dank für die gute Zusammenarbeit gilt dem Ausstellungsteam, bestehend aus Prof. Ariel Auslender, Nina Christl, Fabian Luttropp, Jannis Protzmann und Rita Somfalvy, sowie den Partnern und Förderern des Forschungs- und Ausstellungsprojekts.
Veranstaltungen
Jeden Sonntag, 13-16 Uhr: Papierschöpfen (Tipp: Auch individuell buchbar!)
Jeden ersten Sonntag im Monat, 14-15 Uhr: Öffentliche Führung
Jeden dritten Sonntag im Monat, 11:30-13 Uhr: Familienführung
Donnerstag, 10.3.2022, 19 Uhr: Film im Museum: Tomorrow – Die Welt ist voller Lösungen
Dokumentation, R.: Mélanie Laurent, Cyril Dion, F 2015
Auftakt zur Sonderfilmreihe 2022 zum Thema Klimawandel
Im Café, Leopold-Hoesch-Museum, 5 Euro, Mitglieder Museumsverein Düren 3 Euro
Donnerstag, 28.4.2022, 19 Uhr: Museumsdialog zur Modellfabrik Papier: Bioökonomie, Rohstoffe und deren Kreislauf
(Nachholtermin vom 20.1.2022)
Mit Prof. Dr. Markus Biesalski, Technische Universität Darmstadt, Dr. Dirk Mauler, Global Material Development Director, Essity Operation GmbH Mannheim, Prof. Dr. Ulrich Schurr, Sprecher des Bioeconomy Science Centers und Institutsleiter am Forschungszentrum Jülich, Axel Wizemann, Experte für Bioökonomie,
Innovation, Strategie und Betrieb, Forschungszentrum Jülich, moderiert von Peter Bekaert, Geschäftsführer Modellfabrik Papier gGmbH
Die Modellfabrik Papier in Düren wird als Kooperationsprojekt von Hochschuleinrichtungen und Unternehmen mit dem Ziel gebaut, Verfahren zu entwickeln, mit denen die Papierproduktion klimaneutral umgestaltet werden kann. Die Frage der Klimaneutralität stellt sich allerdings nicht nur in Bezug auf den Energieverbrauch in den konkreten Produktionsprozessen. In der Gesprächsrunde wird es vielmehr um das bioökonomische Zusammenspiel von zukünftig eingesetzten Rohstoffen, deren Eigenschaften, Beschaffung, Verbrauch und Wiederverwertbarkeit gehen.
In der Papierwerkstatt (3 Euro, Mitglieder Museumsverein Düren frei) und im Livestream auf YouTube
Sonntag, 15.5.2022: Internationaler Museumstag
Das Tagesprogramm finden Sie in Kürze auf der Website.
Donnerstag, 19.5.2022, 19 Uhr: Museumsdialog zur Modellfabrik Papier:
Welche Zukunft hat Altpapier als Rohstoff für die Papierindustrie?
Mit Prof. Dr. Samuel Schabel, Leiter des Fachgebiets Papierfabrikation und Mechanische Verfahrenstechnik, TU Darmstadt
Altpapier ist seit Beginn der Papierherstellung im alten China ein wichtiger Rohstoff für die Papierindustrie. Heute sind die Papierkreisläufe sehr eng und Altpapier wird intensiv genutzt. Ein Grund dafür sind die mit der Nutzung von Altpapier verbundenen Energieeinsparungen. Die großen derzeitigen Veränderungen auf dem Papiermarkt durch die geringere Nachfrage nach grafischen Papieren und der starken Zunahme von Verpackungspapieren und vielfältigen innovativen Papierprodukten verursachen auch erhebliche Unsicherheiten auf dem Altpapiermarkt. Das bringt neue Herausforderungen mit sich, wie die ganz praktische
Frage: In welche Tonne soll ich meine Papierverpackung mit Barriereschichten werfen? Wie können die
Energieinhalte der beim Recycling entstehenden Reststoffe genutzt werden? Der Vortrag wird Licht ins
Dunkel werfen und aufzeigen, wo die „Modellfabrik Papier“ zur Lösung der Fragen beitragen kann.
In der Papierwerkstatt (3 Euro, Mitglieder Museumsverein Düren frei) und im Livestream auf YouTube
Donnerstag, 2.6.2022, 19 Uhr: Museumsdialog zur Ausstellung BAMP! Bauen mit Papier
Mit Nina Christl (Paper Exhibition) und Jannis Protzmann (Nachhaltiger Brandschutz für Papier), Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen, Fachgebiet Plastisches Gestalten, Fachbereich Architektur, TU Darmstadt Zwei Architektinnen aus dem Forschungsprojekt „BAMP! Bauen mit Papier“ geben Einblicke in ihre Forschung. Dabei wird Nina Christl über die Realisierung der Ausstellung auf der Architekturbiennale Venedig 2021 sprechen. Jannis Protzmann hingegen forscht nach einer Möglichkeit, Papier nachhaltig brandschutztechnisch zu ertüchtigen – eine wichtige Voraussetzung für den Einsatz als Baumaterial. Er veranschaulicht dies am Versuch mit einem Lehm-Papier-Komposit. Beide Vorträge werden mit zahlreichen Fotos bebildert.
In der Papierwerkstatt, 3 Euro, Mitglieder Museumsverein Düren frei