Erfolgreiches Pilotprojekt: Mieter beziehen erstes Mehrfamilienhaus aus dem 3D-Betondrucker

Im nordrhein-westfälischen Beckum steht Europas erstes Mehrfamilienhaus, das mit der 3D-Drucktechnik errichtet wurde. Foto: Michael Rupp Bauunternehmung GmbH
Im nordrhein-westfälischen Beckum steht Europas erstes Mehrfamilienhaus, das mit der 3D-Drucktechnik errichtet wurde. Foto: Michael Rupp Bauunternehmung GmbH

Als im vergangenen November Europas erstes und größtes Mehrfamilienhaus aus dem 3D-Betondrucker im nordrhein-westfälischen Beckum Gestalt annahm, war das Medieninteresse groß. Nun ist das Gebäude fertig, und die ersten Mieter haben bereits ihr neues Zuhause bezogen. Im Erdgeschoss haben die Bauherren eine Musterwohnung eingerichtet. Jetzt sollen weitere Gebäude aus dem Drucker entstehen.

„Als Familienunternehmen bauen wir schon seit mehr als 25 Jahren Häuser, aber eines aus dem 3D- Drucker war auch für uns neu“, sagt Fabian Rupp, Geschäftsführer der Michael Rupp Bauunternehmung GmbH, die gleichzeitig Bauherr und ausführender Betrieb war. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Sebastian hat er sich dem Thema Betondruck verschrieben und wird mit der Rupp Gebäudedruck GmbH im Laufe des Jahres sogar eine neue Firma dafür gründen. Das Ziel der Brüder: den 3D-Betondruck massentauglich zu machen, um so das Bauen insgesamt nachhaltiger zu gestalten. „Durch selbst entwickelte, nachhaltige Gebäude wollen wir der Komplettanbieter für 3D-gedruckte Häuser werden und das 3D-Druckverfahren in Deutschland und Europa als sichere, günstige, schnelle und ökologisch sinnvolle Bauweise etablieren“, erklärt Sebastian Rupp.

Alle Wohnungen im gedruckten KfW-55-Haus vermietet

Das Mehrfamilienhaus in Wallenhausen war dafür Pilotprojekt und sollte zeigen, ob das funktionieren kann und welche Herausforderungen noch zu meistern sind. Herausgekommen ist ein gelungenes Erstlingswerk im KfW-55-Standard: Auf drei Etagen und 380 Quadratmetern Fläche sind fünf Wohnungen entstanden, die – bis auf die Musterwohnung – bereits alle vermietet sind. Obwohl es im modernen Verfahren erbaut wurde, kommt das Haus optisch recht klassisch daher. „Wir wollten, dass es sich optimal ins Ortsbild einfügt“, erklärt Sebastian Rupp. So erhielt das Gebäude Gauben, Fensterläden, und das Steildach wurde mit Biberschwanz-Ziegeln eingedeckt. Zu jeder der vier Zweizimmerwohnungen gehört ein Kellerraum und eine Terrasse. Die einzige Vierzimmerwohnung im Haus liegt im Dachgeschoss und verfügt ebenfalls über einen Kellerraum. Außerdem befinden sich im Keller ein Wäscheraum, der gemeinsam genutzt wird, sowie ein Technikraum mit Heizungsanlage und Haustechnik.

Die neuen Mieter sind angetan: „Ich fand es total spannend, als einer der Ersten in einem Haus aus einem 3D-Drucker zu wohnen“, erzählt Felix Jehle, der eine Zweizimmerwohnung in dem Mehrfamilienhaus im Ortskern bezogen hat. „Eigentlich lebt man hier aber nicht anders als in jedem anderen modernen Neubau. Nur an der Außenfassade des Hauses und im Wohnzimmer, wo man als Designelement noch ein Stück der gedruckten Wand unverputzt sehen kann, erkennt man, dass das Haus anders ist als alle anderen.“

Vorteile bei Planung und Bau: hohe Planungssicherheit, schnelle Fertigstellung, große Designfreiheit

„Der große Unterschied macht sich tatsächlich bei Planung und Bau bemerkbar, nicht so sehr für die Bewohner“, erläutert Fabian Rupp. Und ihm fallen gleich mehrere Vorteile der neuen Technologie ein: „Da sind einerseits die große Planungssicherheit und die damit verbundene Zeitersparnis. Der Drucker wird mit Daten ‚gefüttert‘, die in jeder gängigen CAD-Software erstellt wurden. Er verarbeitet diese Daten und arbeitet sie einfach nacheinander ab. Dadurch lassen sich seine Arbeitszeit und der Ablauf des Bauvorhabens exakt und verlässlich planen. Da der Drucker mit einer Geschwindigkeit von bis zu einem Meter pro Sekunde arbeitet, kann ein typisches Einfamilienhaus beispielsweise in durchschnittlich 48 Stunden fertig gedruckt sein.“ Auch lange Trocknungs- oder Wartezeiten sind kein Thema, sodass nachfolgende Gewerke ihren Einsatz exakt planen können. Da der Drucker auch gleich alle Aussparungen und Kanäle, beispielsweise für Sanitärleitungen und Elektrik, mitdruckt, müssen diese später nicht mehr herausgebrochen oder geschlitzt werden. „All dies führt zu einer nicht unerheblichen Zeitersparnis und macht den Gebäudedruck zu einer tollen Alternative zu Fertighäusern“, ist Fabian Rupp überzeugt.

Für Planer und Architekten liegt der große Vorteil in der Designfreiheit. „Dem Drucker ist es egal, ob er gerade oder geschwungene Wände drucken soll, glatte oder raue Oberflächen. Auch Überhänge und dergleichen sind problemlos möglich und gedruckt viel günstiger als beim konventionellen Verfahren, wo man eine Sonderschalung bräuchte“, sagt der Meister im Maurer- und Betonbauerhandwerk, Fabian Rupp. Und schließlich spielt auch das Thema Nachhaltigkeit für die Rupp-Brüder eine wichtige Rolle: „Der 3D-Betondruck ermöglicht uns eine material- und kostensparende Bauweise, sodass möglichst keine Rohstoffe verschwendet werden. Er wirkt also nachhaltig für Geldbeutel und Umwelt“, betont Sebastian Rupp.

Die Zukunft wird gedruckt

Gedruckt wurde das Haus in Wallenhausen in Zusammenarbeit mit der Firma PERI aus dem benachbarten Weißenhorn. Das Unternehmen ist international einer der größten Hersteller und Anbieter von Schalungs- und Gerüstsystemen und verkauft und vermietet seit 2020 auch Betondrucker. In Wallenhausen kam ein 3D-Betondrucker des Typs COBOD BOD2 zum Einsatz. Diese Drucktechnologie stammt vom dänischen Hersteller COBOD, an dem PERI bereits seit 2018 beteiligt ist. So einen wollen sich Fabian und Sebastian Rupp für ihre neue Firma nun auch anschaffen. Damit werden sie Gebäude und Fertigbauteile drucken. Die nächsten Projekte sind bereits in der Pipeline. „Wir werden auf jeden Fall einen Teil unserer neuen Firmenzentrale drucken“, erklärt Fabian Rupp. Eigentlich sollte damit schon begonnen werden, allerdings spürt auch die Firma Rupp die Knappheit am Baustoffmarkt. „Wir bekommen gerade einfach nicht genug Material“, so Fabian Rupp. Für die nächsten Aufträge von Architekten und privaten Bauherren hofft er auf eine schnelle Entspannung der Situation. Denn die fertigen Pläne liegen bereits in der Schublade und warten nur noch auf Ihre Umsetzung.

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