Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden: Die Bundesregierung verstößt gegen das Klimaschutzgesetz und muss gesetzeskonforme Klimaschutz-Sofortprogramme in den Sektoren Gebäude und Verkehr vorlegen.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat mit zwei Klagen vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ein gewichtiges Klima-Urteil erstritten: Die Richterinnen und Richter bestätigen, dass die Bundesregierung gegen das Bundesklimaschutzgesetz verstößt und verurteilen sie dazu, schnellstmöglich wirksame Klimaschutz-Sofortprogramme für die Sektoren Verkehr und Gebäude vorzulegen. Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH: „Drei Mal hat der Gebäudesektor die Klimaziele verfehlt. Mit der aktuell völlig kopflosen und verantwortungslosen Gebäudepolitik von Kanzler Scholz, Bauministerin Geywitz und Klimaminister Habeck steuert Deutschland auf eine riesige Zielverfehlung zu, die nicht nur ein klimapolitisches Desaster ist, sondern auch in Kauf nimmt, dass Millionen Menschen in Deutschland ihre Energiekosten nicht mehr werden bezahlen können. Jetzt schiebt das Gericht dieser politischen Fehlleistung einen Riegel vor und zwingt die Bundesregierung ein echtes Sofortprogramm vorzulegen nach dem ‚Nutella-Prinzip‘: Was draufsteht, muss auch drin sein. Dazu gehören Maßnahmen wie die Sanierung der schlechtesten Gebäude zuerst, eine Sanierungsoffensive für Kitas und Schulen und der klimazielkompatible Neubau. Das ist eine gute Nachricht für die Menschen in Deutschland, die mit dieser Gerichtsentscheidung ein wenig mehr Sicherheit für die Zukunft gewonnen haben.“
Umgehende Notfallmaßnahmen gefordert
Das Gericht gibt mit seiner heute Morgen verkündeten Entscheidung der DUH in beiden Verfahren recht. Der Umwelt- und Verbraucherschutzverband fordert die Ampel-Regierung auf, umgehend Notfallmaßnahmen wie ein Tempolimit, den Abbau der 65 Milliarden schweren klimaschädlichen Subventionen und eine Sanierungsoffensive etwa für Schulen und Kindergärten zu beschließen. In einem weiteren Verfahren hatte neben der DUH auch der BUND geklagt und ebenfalls Recht bekommen. Die Regierung kann aber in Revision gehen und die Wirkung des Urteils damit aufschieben.
Klimaschutz-Sofortprogramme sollen die Einhaltung der jährlichen Emissionsgrenzen im Klimaschutzgesetz sicherstellen. Diese waren in den Sektoren Verkehr und Gebäude in den letzten Jahren wiederholt gerissen worden. Für die DUH ist dieses Urteil erst der Anfang zur Korrektur der deutschen Klimapolitik durch Gerichte: Am 1. Februar 2024 werden drei weitere Klimaklagen des Verbands gegen die Bundesregierung verhandelt, in denen es darum geht, die Regierung zum Beschluss ausreichender Klimaschutzmaßnahmen in allen Sektoren bis zum Jahr 2030 zu zwingen. Remo Klinger, der die DUH in den Verfahren juristisch vertritt: „Klimaschutz ist eine Rechtspflicht, kein politisches ‚Nice-to-have‘. Dies hat das Gericht heute in aller Deutlichkeit klargestellt. Klimaschutzziele sind auch keine unverbindlichen Empfehlungen. Es sind rechtsverbindliche Vorgaben, an die sich die Bundesregierung zu halten hat. Die Urteile geben uns Rückenwind für unsere Klagen auf gesetzeskonforme Klimaschutzprogramme, die am 1. Februar 2024 verhandelt werden.“
Hintergrund: Bundesklimaschutzgesetz und Sofortprogramme
Das Bundesklimaschutzgesetz legt jahresscharfe Obergrenzen für klimaschädliche Emissionen für einzelne Sektoren fest. Werden diese gerissen, wie in den letzten Jahren in den Sektoren Gebäude und Verkehr, muss das zuständige Ministerium ein Sofortprogramm erarbeiten. Die Bundesregierung muss das entsprechende Sofortprogramm danach beschließen. Die Maßnahmen des Sofortprogramms müssen laut Klimaschutzgesetz so ausgestaltet sein, dass sie die Einhaltung der gesetzlichen CO₂-Vorgaben in den folgenden Jahren sicherstellen.
Laut dem aktuellen Projektionsbericht wird allein der Verkehrssektor bis 2030 über 200 Millionen Tonnen CO₂ mehr emittieren als das Klimaschutzgesetz erlaubt. Angesichts des Urteils fordert die DUH als erste Notmaßnahme ein generelles Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h außerorts und einer verbindlichen Regelgeschwindigkeit von 30 km/h innerorts. Weitere nötige Maßnahmen sind unter anderem die Abschaffung der über 30 Milliarden teuren klimaschädlichen Subventionen im Verkehr und eine CO₂-basierte Neuzulassungssteuer für Pkw.
Laut dem aktuellen Prüfbericht des Expertenrats für Klimafragen wird der Gebäudebereich sein Treibhausgasbudget bis 2030 um mindestens 35 Millionen Tonnen überschreiten. Trotzdem hat die Bundesregierung der sozialgerechten Wärmewende in diesem Jahr mit dem verwässerten Gebäudeenergiegesetz und ihrem 14-Punkte-Plan für die Bau- und Immobilienbranche eine Absage erteilt.