Auf großes Interesse stieß der 27. Bendorfer Wirtschaftstag in der Krupp’schen Halle der Sayner Hütte. Rund 150 Besucherinnen und Besucher waren der Einladung der Stadt Bendorf zum traditionellen Treffen von Wirtschaft und Politik, Handel und Tourismus, Verwaltung und Medien gefolgt. Die Veranstaltung stand in diesem Jahr unter dem Motto „Bendorf baut Zukunft – innovativ und modellhaft“.
Welche Maßnahmen und Projekte die Stadt Bendorf für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung angestoßen hat, betonte Bürgermeister Christoph Mohr in seiner Begrüßung. Der im Rahmen der Landesgartenschau-Bewerbung entwickelte „Zukunftskatalog“ habe eine wichtige Leitidee vorgegeben, an der man sich nun orientiere.
Er ging auf Erfolge wie die Teilnahme am Wasserstoff-Projekt HyLand und die Förderung zur Sanierung der Mehrzweckhalle Sayn ein und sprach von aktuellen Infrastrukturprojekten wie der Erweiterung der Kaimauer im Rheinhafen und den Planungen für den kommenden Bahnhaltepunkt.
Wenn es um Klimaanpassung geht, liegt der Fokus der Stadt Bendorf auf dem Quartier der Innenstadt, das modellhaft als Showroom für ressourcenschonendes, klimaneutrales Leben, Klimaprodukte und Services positioniert werden soll. „Es ist die größte Herausforderung, Bendorf zu einer klimafreundlichen und klimaangepassten Stadt zu machen“, erklärte der Rathauschef. Gebäude gehörten dabei zu den größten „Klimasündern“.
Forum für Austausch
Der Bendorfer Wirtschaftstag sei ein wichtiges Forum für den Austausch von Erfahrungen, betonte Landrat Dr. Alexander Saftig. Er hob hervor, dass Entwicklungen für die Region nur gemeinsam angestoßen werden könnten, thematisierte aber auch Herausforderungen wie den Fachkräftemangel bei Verwaltungen, der vor allem auch das Thema Bauen betrifft.
Was kann der Bausektor für den Klimaschutz leisten? Wie können Stadtentwicklung und Klimaanpassung Hand in Hand gehen? Womit bauen wir nachhaltig? Diese und weitere Fragen beantwortete Prof. Dr.-Ing. Lamia Messari-Becker in ihrem Vortrag „Bauen im Klimawandel – Chancen und Herausforderungen“.
Angesichts des extremen Bevölkerungswachstums auf der Erde und des hohen Rohstoffverbrauches sieht die renommierte Expertin für nachhaltiges Bauen, Energieeffizienz und Klimaschutz die einzige Chance in der Kreislaufwirtschaft. Es gelte, Ressourcen maximal sparsam und effizient einzusetzen und immer im Kreislauf zu halten.
Unideologisches Denken und Bauen ist gefragt
Die Bauwirtschaft sei als stärkste Industrie in Deutschland enorm umweltrelevant und gerade Städte seien ein „Brennglas für den Klimawandel“. „Man kann durch Stadtentwicklung sehr viel für den Klimaschutz beitragen“, so Messari-Becker.
Sie plädiert für ein Bauen, dass flexibler, ganzheitlicher und unideolgisch denkt. So spricht sie sich u.a. für den Grundsatz Umbau vor Neubau aus und rät dazu, Abrisse zu hinterfragen und lieber mit alter Bausubstanz zu arbeiten.
Wenn Gebäude flexibel gebaut werden, ist eine multifunktionale Flächennutzung möglich. So kann die Kita von heute später auch als Altenheim genutzt werden. Weitere Stichwort sind Flächeneffizienz und die Optimierung von Tragwerken und Grundrissen sowie Vorproduktion und Digitalisierung.
Beim Thema Recyclingbeton seien Österreich und Schweiz viel weiter als die Industrienation Deutschland, die hier auch keine Förderung zur Verfügung stellt: „Es muss für Unternehmen attraktiver werden, in diesem Bereich zu investieren“, erklärt die Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik an der Universität Siegen.
Was die Materialien angeht, ist Prof. Messari-Becker sich sicher: „In der Vielfalt liegt eine Stärke“. Es gelte, die passenden Materialien für die jeweilige Aufgabe einzusetzen. Ob Holz, Lehm, Ziegel, Stahl oder Beton – alle werden gebraucht, aber alle müssen auch besser werden. Verbote seien nicht die Lösung.
Quartierslösung vorteilhafter als Einzelgebäude
Das Mitglied in Club of Rome ist auch in Hinblick auf die Stadt Bendorf überzeugt, dass Quartierslösungen Lösungen auf der Einzel-Gebäude-Ebene deutlich überlegen sind. Hier ließen sich gemeinsame Sanierungsmaßnahmen und erneuerbare Energieversorgung kosteneffizienter realisieren. Um gezielt vor Ort etwas zu erreichen, müsse man sich vernetzen, wie z.B. bei kommunalen Wärmenetzen und vergleichbaren Kooperationen.
Zudem sei es wichtig, das Bauen immer mit Infrastruktur und Mobilität verbinden, um eine „Stadt der kurzen Wege“ zu schaffen.
In der Vergabe von Projekten sollten Nachhaltigkeitskriterien eine maßgebliche Rolle spielen. Nicht dürfen Klimaschutz und Klimaanpassung sich nicht ausschließen, sondern Hand in Hand gehen.
Dass der Vortrag auf offene Ohren gestoßen war und viele wichtige Impulse mitgeben konnte, zeigte sich auch in einer anschließenden Fragerunde, bei der Interessierte sich mit der Expertin austauschen konnten.
Wie in jedem Jahr stand beim Bendorfer Wirtschaftstag auch die Würdigung aktueller Verdienste auf dem Plan: Herzliche Glückwünsche von Bürgermeister Mohr und Landrat Dr. Saftig gingen an die Wirtschaftsförderungsgesellschaft am Mittelrhein und die Spedition Normann, die 2022 mit dem Großen Preis des Mittelstandes ausgezeichnet wurden.
Quelle: Stadt Bendorf