Wiederverwertbare Bauteile, die sich flexibel wie Legosteine zusammenfügen lassen und CO₂ langfristig speichern: Der Baustoff Holz macht es möglich. Experimentier- und Entwicklungsraum für das Erforschen des kreislaufeffektiven Holzbaus hat das t-lab der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK) jetzt im Diemersteiner Tal geschaffen. Dort ist als erstes Gebäude eine Forschungs- und Werkhalle aus Holz entstanden, die das nachhaltige Prinzip am eigenen Beispiel verdeutlicht. Das Richtfest am 18. November 2022 markierte den offiziellen Start für den Holzbaucampus.
„Bauen der Zukunft bedeutet aus unserer Sicht, dass Bauwerke umweltverträglich, also zerlegbar und ihre Bauteile wiederverwertbar sein müssen“, so Professor Dr.- Ing. Jürgen Graf, Leiter des „t-lab Holzarchitektur und Holzwerkstoffe“ an der TUK. „Der Baustoff Holz ist deswegen so interessant, weil er nachwachsend und damit ressourcenschonend ist und CO₂ speichert, solange die Bauteile bestehen.“
Dieser Rohbau der Forschungswerkhalle verdeutlicht das Prinzip des kreislaufeffektiven Bauens. Die Tragstruktur besteht aus vorgefertigten Rahmenelementen. Die Kraftübertragung übernehmen reversible Knotenpunkte aus Kunstharzpressholz. Ebenso hat das Team von Graf konusförmige Dübel aus Kunstharzpressholz entwickelt, die in der Wandstruktur die nötigen Verbindungen schaffen. Diese Außenwände des Gebäudes bestehen aus Brettsperrholzkonstruktionen plus Dämmschicht und äußerer Verschalung. Die Dämmelemente mit Konterlattung sind am Tragwerk eingehängt. An der Konterlattung lässt sich wiederum per Formschluss die äußere Verschalung aus Holzbrettern einhängen und mit Schrauben fixieren. Auch die Bodenplatte ist aus Holz, indem das jahrhundertealte Prinzip des Kriechkellers Anwendung findet. Die Bodenplatte liegt 30 cm über dem Baugrund auf Stahlträgern auf. Der Clou daran: Alles ist zu 100 Prozent rückbaubar. Die Bauteile bleiben dem Materialkreislauf dauerhaft erhalten. Das dafür benötigte Bauholz muss dem Wald nur einmal entnommen werden. Beton kam beim Bau der Halle, die auf einer Pfahlkonstruktion aus Mikropfählen steht, fast nicht zum Einsatz.
Kreislaufwirtschaft und reversible Gebäudetechnologien
Mit Einsatz des kreislaufeffektiven Holzbaus könnte die bauliche Zukunft so aussehen: Nutzungsneutrale, reversible Gebäudetypologien, die sich standardisiert und präzise, wie etwa im Automobilbau, fertigen und so idealerweise über Jahrhunderte hinweg einsetzen lassen. „Dafür ist der Holzbau ideal“, bringt es Graf auf den Punkt, „weil er durch seine einfache Bearbeitbarkeit schon immer Holzbauwerke hervorbrachte, bei denen reversible Verbindungstechniken zur Kraftübertragung eingesetzt wurden. Diese lassen sich mit der heutigen CNC-gesteuerten Fertigung und Robotik weiterentwickeln.“
Die 360 qm umfassende Forschungs- und Werkhalle im Diemersteiner Tal, die diese Vision heute schon umsetzt, eröffnet dem t-lab künftig flexible Nutzungsmöglichkeiten. Veranstaltungen wie Workshops oder Seminare sind darin ebenso möglich wie der Bau und die Montage von Mock-ups und Demonstratoren im Rahmen laufender Forschungsprojekte. In den kommenden Jahren sollen ein Bürogebäude und eine Prüfhalle den Holzbaucampus komplettieren.
Das Konzept für die Forschungs- und Werkhalle hat Graf gemeinsam mit Professor Stephan Birk entwickelt, der bis 2021 mit dem Fachgebiet Baukonstruktion I und Entwerfen einen wissenschaftlichen Motor des t-lab bildete. Birk lehrt und forscht heute an der Technischen Universität München (TUM).
Richtfest setzt Zeichen
Beim Richtfest lobte Professor Dr. Werner R. Thiel, TUK-Vizepräsident für Forschung und Technologie, den Einsatz des gesamten Bauteams: „Dass diese Forschungs- und Werkhalle steht, verdanken wir dem unermüdlichen Einsatz vieler. Etwa den Wissenschaftlern unseres t-lab, die hier ihre Vision umgesetzt haben, der Stiftung für die TUK, die zur Förderung des Projekts beigetragen hat und den Architektur-Studierenden, die angepackt und tatkräftig dafür gesorgt haben, dass der Rohbau nun steht. Die Halle ist Meilenstein in der Geschichte der TUK im Diemersteiner Tal, die mit dem Erwerb der Villa Denis begonnen hat. Mit dem Holzbaucampus wächst hier nun ein strahlender Leuchtturm heran, der unsere Forschungsaktivitäten im nachhaltigen Bauen sichtbar in die Region hineinträgt. Dies passt nicht zuletzt deswegen so gut, weil wir uns in einem Bundesland befinden, das maßgeblich von der Forstwirtschaft lebt. Indem wir die Nutzung des Holzes verstärkt im Bauwesen etablieren, erschließen wir dessen kreislaufeffektiven Einsatz und tragen zur Bauwende bei.“
In seinem Grußwort knüpfte Klimaschutzstaatssekretär Dr. Erwin Manz direkt an seinen Vorredner an: “Der Bau- und Gebäudesektor ist weltweit für rund 40 Prozent der CO₂-Emissionen verantwortlich. Deshalb brauchen wir dringend eine Bauwende. Holz speichert das klimaschädliche Treibhausgas CO₂, statt es freizusetzen, wie dies etwa bei der sehr energieintensiven Herstellung von Beton und Stahl der Fall ist. Holz ist nicht nur ressourcenschonend, sondern auch ästhetisch ansprechend und langlebig. Gerade hier an der Weinstraße sieht man Jahrhunderte alte Häuser, die aus Holz gebaut wurden. Heute wird rund jedes fünfte Haus in Rheinland-Pfalz aus Holz gebaut. Diese nachhaltige Bauweise muss für die Architektur in Zeiten des Klimawandels eine Selbstverständlichkeit werden, ohne dabei den Fortschritt aus dem Auge zu verlieren. Die TU Kaiserslautern legt hier im Diemersteiner Tal den Grundstein für diesen Fortschritt. Deshalb haben wir gern die dem Neubau der Werk- und Forschungshalle vorausgegangenen mechanischen und thermischen Bauteilversuche und Bauteilprüfungen mit 60.000 Euro aus den Mitteln des ‚Klimabündnis Bauen‘ unterstützt, mit dem wir das Ziel verfolgen, sowohl klimafreundliche Baustoffe zu verwenden als auch den Kreislaufgedanken in der Baubranche voranzubringen.”
Als Bauherrin für die Forschungs- und Werkhalle fungierte die Stiftung für die TUK. „Mit einem großen Vertrauensvorschuss vom rheinland-pfälzischen Innenministerium und der Ortsgemeinde, dass wir uns mit einem Wissenschaftszentrum in die Entwicklung des Diemersteiner Tals einbringen, hat das Projekt vor einigen Jahren begonnen“, sagte die Stiftungsvorsitzende Dr. Annette Mechel anlässlich des Richtfests. „Die Idee für den Holzbaucampus ist in Gesprächen mit dem Fachbereich Architektur herangereift. Eingeworbene Fördermittel, etwa in Form einer großzügigen Schenkung sowie von Mitteln aus dem LEADER-Programm der Europäischen Union, haben maßgeblich zur Finanzierung der Forschungs- und Werkhalle beigetragen.“
Über das t-Lab Holzarchitektur und Holzwerkstoffe
Das t-Lab Holzarchitektur und Holzwerkstoffe wurde 2014 am Fachbereich Architektur gegründet. In den vergangenen acht Jahren konnten die Forschungsaktivitäten gemeinsam stetig gesteigert werden. Es sieht sich gleichermaßen der Forschung sowie der Lehre verpflichtet. Ziel der interdisziplinären Forschung ist die Erhöhung der Holzbauquote, die Steigerung von Produktspeicher und stofflicher Substitution. Die Vorhaben lassen sich grob in drei Themenfelder gliedern: Entwicklung neuer Bauelemente in Kreislaufwirtschaft, Abbau von Restriktionen und neue Typologien aus Holz. Das t-Lab hat sich mit einer Reihe an Forschungsarbeiten, Dissertationen und Projekten (darunter auch der vielfach ausgezeichnete, partizipative Bau Spinelli in Mannheim) fest in der Holzbauszene in Deutschland etabliert.
Über die Stiftung für die TU Kaiserslautern
Die Stiftung für die TU Kaiserslautern wurde als Bürgerstiftung in der Amtszeit des ehemaligen TUK-Präsidenten Prof. Dr. Helmut J. Schmidt gegründet. Ihr hat die TU die Begegnungsstätte Diemerstein zu verdanken als Stiftungshaus der Universität, bestehend aus dem Ensemble der Villa Denis, einem Gästehaus und der historischen Burgruine Diemerstein sowie mehreren Hektar Wald.
Quelle: TU Kaiserslautern