Im Forschungsprojekt TIMpuls haben Wissenschaftler der Technischen Universität München, der Technischen Universität Braunschweig, der Hochschule Magdeburg-Stendal und des Instituts für Brand- und Katastrophenschutz Heyrothsberge nachgewiesen, dass die Verwendung von Holzkonstruktionen brandschutztechnisch gleichwertige Lösungen im Vergleich zu konventionellen Konstruktionen aus Mauerwerk und Stahlbeton oder Stahlleichtbau ermöglicht. Die Arbeit des Forschungsverbundes wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aus dem Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe unterstützt.
In vier Teilprojekten hatten die Beteiligten zwischen 2017 und 2021 die Brennbarkeit des Baustoffes Holz und deren Auswirkungen auf die brandschutztechnischen Anforderungen des Bauordnungsrechts untersucht. „Unsere Arbeit belegt, dass Holzbauwerke der Gebäudeklasse 4 und 5 bis zur Hochhausgrenze in puncto Brandschutz Gebäuden aus nichtbrennbaren Baustoffen durchaus ebenbürtig sind“, erklärt Projektkoordinator Prof. Dr.-Ing. Stefan Winter vom Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion der Technischen Universität München. Bedingung für das Erreichen des gleichwertigen Brandschutzniveaus sei u. a. die geeignete Dimensionierung der Holzbaustoffe bei der konstruktiven Ausführung des Bauwerks.
Zum Projektende legten die Forschenden eine vollständige, wissenschaftlich begründete Systematik zur Entwicklung brandschutztechnisch sicherer Holzgebäude vor. Damit wird die Verwendung von Holz in tragenden und raumbildenden Konstruktionen in mehrgeschossigen Gebäuden bis zur Hochhausgrenze möglich.
Projektergebnisse als Basis für Überarbeitung der Muster-Holzbaurichtlinie
Die Projektbeteiligten hatten u. a. Versuchs- und Literaturdaten zur Leistungsfähigkeit abwehrender Brandschutzmaßnahmen analysiert. In Zusammenarbeit mit Feuerwehren erhoben sie Einsatzdaten und nahmen neben zahlreichen experimentellen Untersuchungen zu Entflammbarkeit und Brandverhalten von Holzbaustoffen fünf Realbrandversuche auf dem Gelände der Werkfeuerwehr der TU München bei Garching vor. „Die Erkenntnisse aus allen vier Teilprojekten wurden bei der Systematisierung des Holzbaues berücksichtigt und in den abschließenden Realbrandversuchen angewendet und nachgewiesen“, berichtet Projektkoordinator Winter. Teile der im Projektverlauf veröffentlichten Erkenntnisse hielten inzwischen in europäische oder nationale Normen Einzug oder sind Grundlage der Diskussionen zu bauordnungsrechtlichen Vorgaben, so Prof. Winter weiter.
Zu den Projektergebnissen zählt neben Empfehlungen für Feuerwehren auch die Entwicklung der frei zugänglichen Wissensplattform, die potenziellen Bauherren bauordnungsrechtliche Sachverhalte detailliert erläutert und laufend an den aktuellen Stand angepasst wird.
Die Projektpartner begleiten zudem mit Entwürfen und Stellungnahmen zu den Projekterkenntnissen die parallel zum Projekt verlaufende Konzeption der neuen Muster-Holzbaurichtlinie durch die Projektgruppe Holzbau der Arbeitsgemeinschaft Bau der Länder. Die „Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Bauteile und Außenwandbekleidungen in Holzbauweise – MHolzBauRL“ wurde im Juni 2021 in Erstfassung veröffentlicht und wird aktuell nochmals überarbeitet.
An das Vorhaben schließt sich ab Dezember 2022 ein zwölfmonatiges Folgeprojekt an. Ziel des dreiteiligen Verbundverhabens „Wissenstransfer für ein brandschutztechnisch sicheres Bauen im mehrgeschossigen Holzbau (TIMpulsDissemination)“ ist die gezielte und flächendeckende Vermittlung der Ergebnisse aus dem Vorhaben „TIMpuls“. Überdies sollen ausgewählte, aktuelle Forschungsergebnisse nationaler und internationaler Projekte in das Anschlussprojekt einfließen.
Hintergrund
Mit der Entwicklung und Optimierung moderner Holzbausysteme in Verbindung mit politischen Initiativen zum ressourcenbewussten Planen und Bauen wächst in den europäischen und außereuropäischen Ländern die Nachfrage nach Baustoffen aus Holz rasant an. Dieser Prozess wird in Deutschland von den limitierenden Regelwerken und bauordnungsrechtlichen Einschränkungen für den Baustoff Holz behindert. Das Forschungsvorhaben TIMpuls zeigt, dass das in den Bauordnungen definierte Schutzziel des Brandschutzes beim modernen Holzbau sichergestellt bleibt.
In der aktuellen Muster-Holzbaurichtlinie (M‐HolzBauRL) des Deutschen Institutes für Bautechnik werden Anforderungen an feuerwiderstandsfähige Bauteile in Holzrahmen- und Holztafelbauweise für Standardgebäude der Gebäudeklasse 4 sowie an feuerwiderstandsfähige Bauteile in Massivholzbauweise für Standardgebäude der Gebäudeklassen 4 und 5 beschrieben. Die Richtlinie darf angewendet werden, wenn bauordnungsrechtliche Landesregelungen es gestatten. Derzeit wird die Richtlinie auf Grundlage der Forschungsergebnisse weiterentwickelt.
Verbundvorhaben
Verbundvorhaben (FSP-Brandschutz): Brandschutztechnische Grundlagenuntersuchung zur Fortschreibung bauaufsichtlicher Regelungen in Hinblick auf eine erweiterte Anwendung des Holzbaus; Akronym: TIMpuls
Teilvorhaben 1: Integrale Systementwicklung brandschutztechnisch sicherer Holzgebäude; Technische Universität München, Ingenieurfakultät Bau Geo Umwelt, Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion
Teilvorhaben 2: Beurteilung der brandschutztechnischen Leistungsfähigkeit von Bauteilen und Systemen; Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig – Fakultät 3 – Architektur, Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften – Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz
Teilvorhaben 3: Anlagentechnischer Brandschutz und Nachbrandverhalten; Hochschule Magdeburg-Stendal (FH) – Fachbereich Wasser, Umwelt, Bau und Sicherheit
Teilvorhaben 4: Durchführung großmaßstäblicher Brandversuche – Institut für Brand- und Katastrophenschutz Heyrothsberge – Institut der Feuerwehr – Abteilung Forschung