Kreislaufwirtschaft ist mehr als Recycling

Das Pantheon symbolisiert die Langlebigkeit der mineralischen Rohstoffe. / Quelle: obs/Verein Green Building
Das Pantheon symbolisiert die Langlebigkeit der mineralischen Rohstoffe. / Quelle: obs/Verein Green Building

Der ökologische Fußabdruck bildet den Kern der weltweiten Umwelt- und Klimapolitik und das Schließen von Kreisläufen steht im Fokus der Bemühungen. Die Maßnahmen sollten sich dabei dringend an den Energieaufwänden, die aus dem Schließen der Stoffkreisläufe resultieren, den Anliegen von Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt sowie dem Lebenszyklus des Bauwerks orientieren.

Umwelt- und Klimaschutzbemühungen müssen eine ganzheitliche Sichtweise verfolgen. Es sollte nicht sein, dass Ziele gesetzt werden, wie beispielsweise irgendeinen Kreislauf zu 80 % statt zu 75 % zu schließen, ausschließlich CO₂-Emissionen zu reduzieren oder isoliert betrachtet mit Maßnahmen zugunsten der Biodiversität den Nährstoffwert der Böden zu fördern. Das alles sind zwar wichtige Maßnahmen, aber viel entscheidender ist es, möglichst alle Kreisläufe auf der technischen und der biologischen Seite im Auge zu behalten und ein gesamthaftes Schließen sämtlicher Kreisläufe anzuvisieren. Dabei ist es wichtig, den Energiebedarf mit den daraus resultierenden Klimaeffekten mitzuberücksichtigen und Aktivitäten daran auszurichten, dass sich das Ökosystem auch in Zukunft im Gesamtgleichgewicht befindet.

Recycling hat in der Bauwirtschaft Tradition

Das Wiederverwenden und Schließen der stofflichen Kreisläufe hat in der Bauwirtschaft eine große Tradition. Im Mittelalter benutzte man beispielsweise antike Amphitheater als Steinbrüche. Bereits in den 90er-Jahren begann die Branche, hohe Summen in den Bau von industriellen Recyclinganlagen zu investieren. Schon im Jahr 2008 stellte der BAFU-Abfallbericht fest, dass über 80 % der Bauabfälle im Stoffkreislauf gehalten werden. Dieser Anteil hat sich inzwischen weiter erhöht. Zum Vergleich: Der oft genannte Recyclingweltmeister PET liegt mit einer Verwertungsquote von 81 % auf Augenhöhe. Bei Holz, Kunststoffen und Keramik hingegen liegen die entsprechenden Anteile sogar weit tiefer, bei unter 30 %. Sie werden nach Gebrauch vor allem verbrannt und landen auf der Deponie. Bei den Materialien Beton, Kies, Schotter, Mischgut und Beton könnten sogar noch mehr Mengen von Schweizer Bauwerken rezykliert werden. Allerdings werfen diese bei einem Jahresbedarf von über 30 Mio. Tonnen aufgrund der langlebigen Bausubstanz jährlich nur ca. 12 Mio. Tonnen Rückbaumaterial ab. Die Rückbaumengen sind deswegen begrenzt. Weil die Recyclingquote sich auch im internationalen Vergleich bereits auf rekordverdächtiger Höhe befindet, wird die Schweiz auch in Zukunft auf Materialreserven in den Talsohlen angewiesen sein, um die Rohstoffversorgung zu gewährleisten.

Bodenverträgliche Bauprodukte sowie korrekte Auffüllungen und Rekultivierungen tragen dazu bei das ökologische Gesamtgleichgewicht dauerhaft zu sichern. Quelle: obs/Verein Green Building

Um den Fußabdruck wirksam zu begrenzen, ist es wichtig, dass das Baumaterial lokal abgebaut werden kann und es für möglichst langlebige Bauwerke verwendet wird. Auch gilt es, den Anteil der eingesetzten grauen Energie gering zu halten, indem Bauteile möglichst oft wiederverwendet werden. Die Anzahl und die Länge der Transportwege sind ein besonders großer Hebel, da es sich bei Steinen und Erden um schwergewichtige Massenprodukte handelt. Erhöht sich die durchschnittliche Transportdistanz zur Baustelle um nur einen Kilometer, werden zusätzliche CO₂-Emissionen von insgesamt ca. 4000 Tonnen ausgestoßen. Das entspricht so viel CO₂, wie 400 Personen insgesamt im Jahr über ihren Konsum verantworten.

In der Praxis haben sich hinsichtlich des Begrenzens des ökologischen Fußabdrucks die folgenden Handlungsprinzipien durchgesetzt, die in Zukunft noch bedeutungsvoller werden:

  • Kreislaufwirtschaft: Auch in Zukunft rezykliert die Kies- und Betonindustrie möglichst alle zurückgebauten mineralischen Rohstoffe, sofern dadurch keine übermäßigen Energieaufwände resultieren, die Verwertung im Rahmen der Nachhaltigkeit erfolgt und sie dauerhaft zur Sicherung des ökologischen Gesamtgewichts beiträgt.
  • Langlebigkeit: Die Kies- und Betonindustrie engagiert sich weiterhin zugunsten der Langlebigkeit und Dauerhaftigkeit der Bauwerke und -materialien.
  • Dialog: Die Kies- und Betonindustrie trägt zu einem umfassenden Fussabdruckdialog innerhalb der Bauwirtschaft bei.
  • Innovation: Die Kies- und Betonindustrie will Handlungsspielraum, um neue und innovative Produkte entwickeln zu können.
  • Bodenverträgliche Baustoffe: Jeder Baustoff soll jederzeit bodenverträglich deponiert werden können.

Cradle-to-Cradle-Prinzip auch im Bau

Das stoffliche Recycling von mineralischen Ausgangsmaterialien macht aus ökologischer Sicht erst Sinn, wenn die aus der Aufbereitung und der dauerhaften Ablagerung resultierenden Umweltemissionen sowie die damit verbundenen Risiken, hinsichtlich der Qualität der Gewässer und Böden, mitberücksichtigt werden. Im Zusammenhang mit PAK (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) belasteten Straßenbelägen ergeben sich beispielsweise momentan in verschiedenen Regionen entsprechende Produkte, bei denen die Nachfrage fehlt und die aufgrund ihres Schadstoffgehalts von den Deponien abgelehnt werden müssen. Es ist deswegen wichtig, zu verhindern, dass durch das Schließen eines spezifischen stofflichen Kreislaufs an anderen Orten übermäßige Emissionen entstehen. Oder auch, dass Gebäude mit Baustoffen erstellt werden, die nach dem Ablaufdatum der Bauten nicht mehr nachgefragt werden, sich nicht mehr stofflich wiederverwerten lassen und so auf der biologischen Seite zu Altlasten und großen Umweltrisiken führen können. Die Wissenschaft spricht in diesem Zusammenhang vom Cradle-to-Cradle-Ansatz: Alle Kreisläufe auf der stofflichen und der biologischen Seite sollen unter Berücksichtigung der entstehenden Umweltemissionen sowie der Anliegen von Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt umfassend geschlossen werden. Zudem sollen immer alle Materialien auch von der stofflichen auf die biologische Seite überführt und dort problemlos abgelagert werden können.

Downcycling verhindern

Ein guter technischer Kreislauf stellt Bauprodukte zur Verfügung, welche die Qualitätsanforderungen des Bauwerks im Einzelfall erfüllen, und ein Downcycling, das heißt das Zurverfügungstellen von Materialien, die nach der Aufbereitung eine schlechtere Qualität aufweisen als das ursprüngliche Material, verhindern. Zudem sollen sie zu einer Qualitäts- und Energieoptimierung beitragen, für Mensch und Umwelt verträglich wirken und last, but not least wirtschaftlich produziert werden können. Um das brachliegende ökologische Optimierungspotenzial wirksam auszunutzen, sind alle Baupartner aufgefordert, zu kooperieren. Viele lukrative Ökologiepotenziale befinden sich in den frühen Planungsphasen zu Beginn des Bauprozesses. Kreislaufwirtschaft und Kooperation gehören deswegen zusammen.

Das ökologische Optimierungspotenzial ist zu Beginn des Bauprozesses am größten. Grafik: Green Building Schweiz
Das ökologische Optimierungspotenzial ist zu Beginn des Bauprozesses am größten. Grafik: Green Building Schweiz

Heute gilt es, mit unternehmerischen und innovativen Aktivitäten den ökologischen Fußabdruck von Bauwerken, bezogen auf ihre gesamten Lebenszyklen, zu reduzieren. Ein Beispiel eines technischen Kreislaufs mit einer gesamthaft besonders ökologisch positiven Wirkung stellt ein kürzlich lanciertes Verfahren dar, welches es ermöglicht, aus der Atmosphäre entferntes CO₂ dauerhaft in recyceltem Betongranulat zu speichern und damit die CO₂-Bilanz des Betons zu verbessern. Zudem geht es im Sinne des Cradle-to-Cradle-Ansatzes darum, bei der Produktentwicklung neben den technischen Eigenschaften auch die biologische Seite mitzuberücksichtigen. So werden beispielsweise ca. 75 % des auf Baustellen anfallenden sauberen Aushubs in Kiesgruben verwertet und dies trägt dazu bei, dass im Rahmen der Rekultivierung die Fruchtbarkeit der Böden gefördert wird.

Auch das nationale Parlament sieht im Thema Potenzial und hat sich diesem mit der Lancierung der parlamentarischen Initiative “Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken” im vergangenen Jahr angenommen. Der Vorstoß der nationalrätlichen Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats verlangt verschiedene Anpassungen im Umweltschutzgesetz. Greenbuilding unterstützt insgesamt diesen Vorstoß, der aus seiner Sicht ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist. Nicht alle, aber einige der vorgeschlagenen und zum Teil auch von Greenbuidling eingebrachten Lösungen sind erfolgversprechend.

Vorschläge von Greenbuilding zur Förderung der Kreislaufwirtschaft

  • Umweltproduktedeklaration – Zuschlagskriterium in Ausschreibungen: Mit der EN 15804 gibt es ein europaweit anerkanntes und praxiserprobtes Messsystem für die Kreislauffähigkeit von Bauwerken, das in skandinavischen Ländern in Ausschreibungen bereits beigezogen wird. Der Bundesrat wäre heute in der Lage, dieses einzuführen, es in Ausschreibungen vorzugeben und so die Kreislaufwirtschaft zu fördern.
  • Stofflich – energetische Verwertung: Mit einem Vorziehen der stofflichen – energetischen Verwertung gegenüber der rein energetischen Verwertung lassen sich Emissionen einsparen.
  • Trennbare Baustoffe: Diese fördern das werterhaltende und dauerhafte Schließen der Kreisläufe. Entsprechende Plattformen (z. B. www.madaster.ch) sind bereits in Betrieb.
  • Eigenschaftsspezifische Ausschreibungen: Dank eigenschafts- statt sortenspezifischen Ausschreibungen lassen sich die Materialzusammensetzungen auf das Bauwerk kreislaufmäßig maßschneidern. Zusätzliche Kreislaufpotentiale lassen sich so ausnutzen.
  • Planung: Die größte Hebelwirkung liegt bei der Planung des Bauwerks. Dieses Erfolgspotential lässt sich ausschöpfen, wenn es uns gelingt, dass schon bei der Planung des Bauwerks die Kreislauffähigkeit der Materialien angemessen mitberücksichtigt wird.
Vermeiden, Wiederverwerten und zirkuläres Verwerten sind wichtige Leitsätze der Kreislaufwirtschaft. Grafik: Green Building Schweiz
Vermeiden, Wiederverwerten und zirkuläres Verwerten sind wichtige Leitsätze der Kreislaufwirtschaft. Grafik: Green Building Schweiz

Quelle: Verein Green Building Schweiz

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