Weg von fossilen Rohstoffen und deren Knappheit – hin zu bisher ungenutzten Rohstoffen aus Pflanzen und Pilzen. Um diesen Wandel zu nachwachsenden Roststoffen zu unterstützen, hat das Fraunhofer UMSICHT zusammen mit dem Fraunhofer IBP im Projekt »FungiFacturing« Pilzwerkstoffe untersucht, die aus Reststoffen wie Stroh oder Holzspäne bestehen. Zum Abschluss des Vorhabens zeigen die Forschenden, dass sie neben einem Schallabsorber auf Pilzbasis auch weitere biobasierte Lösungen für die Bauindustrie entwickelt haben.
Ein Werkstoff aus pflanzlichen Rohstoffen und Pilzmyzel als Double-Porosity-Schallabsorber – so lautete das Ziel des Projektes FungiFacturing von August 2019 bis Juli 2021. »Pilzwerkstoffe stellen eine biobasierte Alternative zu konventionellen Materialien wie Polyesterschäumen oder Verbundstoffen auf Mineralbasis dar«, erklärt Julia Krayer, Biodesignerin am Fraunhofer UMSICHT. »Der Schallabsorber besteht aus Pilzen und pflanzlichen Reststoffen. Sägespäne, Treber aus der Bierproduktion oder Stroh nutzen wir als Nährboden, um die Pilze zu züchten und nutzen zu können.«
Die richtige Rezeptur für Paste und 3D-Druck
Gestartet haben die Forschenden des Fraunhofer UMSICHT das Projekt mit der Entwicklung einer pilzbasierten Paste, die mittels eines 3D-Druckverfahrens in die gewünschte Form gebracht werden konnten. Parallel dazu haben sie die Bewachsbarkeit der Paste untersucht. »Wir haben dabei festgestellt, dass der Pilz erfolgreich auf dem Treber wächst«, erläutert Lina Vieres, Biologin am Fraunhofer UMSICHT. »Allerdings behindert der Treber den Druckvorgang durch die enthaltenen Spelzen. Daher verzichten wir auf ihn als Substratzugabe und haben weitere Rezepturen mit Stroh und Holzspänen getestet.«
Rezeptur und Grundsubstrat haben gleichzeitig auch Auswirkungen auf die akustische Leistung des Materials. Hier stellte sich beispielsweise heraus, dass sich die sehr feinen Fasern für den Druck sehr vorteilhaft zeigen. Für die Akustik sind die Fasern aber eher hinderlich. Ebenso behinderten sie das Pilzwachstum, da dieser auf einen Gasaustausch in dem Material angewiesen ist. Mithilfe einer genauen Abstimmung zwischen Paste, Pilzwachstum, Eigenschaften und 3D-Druck haben die Forschenden eine Lösung gefunden: eine durchwachsbare, druckbare Paste.
Ein Geschäftsmodell für Pilzrohstoffe
Das Ergebnis haben die Forschenden anschließend auf einem Workshop im Impact Hub Essen interessierten Personen präsentiert. So prüften die Projektmitarbeitenden die gesellschaftliche Akzeptanz für alternative Rohstoffe. Mit einer ökologischen und ökonomischen Bewertung des Produktes identifizierten sie außerdem die energiereichen Schritte und ordneten das Produkt in den bereits bestehenden Markt. Basierend auf allen Ergebnissen haben die Forschenden abschließend ein Geschäftsmodell für Pilzmaterialien erstellt.
Mehr als ein Schallabsorber
Die im Projekt FungiFacturing getesteten Werkstoffe besitzen weiterhin vielversprechende Eigenschaften in Bezug auf Druckfestigkeit, Wärmedämmung und Brandverhalten. »Mit diesen Eigenschaften eigenen sich Pilzwerkstoffe für weit mehr als nur Schallabsorber«, betont Krayer. Die Werkstoffe seien beispielsweise druckstabil und besitzen gute wärmedämmende Eigenschaften, die mit Holzfaserdämmplatten vergleichbar sind. In Brandversuchen sind keine offenen Flammen aufgetreten, und der Pilzwerkstoff lässt sich leicht am Anwendungsort anbringen. Pilzwerkstoffe können also auch in der Praxis leicht angewendet werden z.B. auch als Wärmedämmstoffe.
Weiterentwicklung des FungiFacturing-Ansatzes
Die Projektergebnisse zeigen, dass sich der entwickelte Prozess auf viele verschiedene Anwendungen und Werkstoffe übertragen lässt. Neben 3D-Druck sind weitere Herstellungsprozesse sowohl für pilzbasierte, als auch rein pflanzliche Pastenwerkstoffe denkbar. Das Fraunhofer UMSICHT prüft dazu nun verschiedene Produktionsverfahren und deren Ergebnisse.
Über ein Fraunhofer-internes Kooperationsprojekt entwickeln die Forschenden Pilzprodukte nun im Hinblick auf Rezeptur und Fertigungstechnik weiter. Der Fokus liegt hierbei vor allem auf der Nutzung lokaler Reststoffe und der Auswirkung von brandhemmenden Mitteln auf das Pilzwachstum.Auch eine Praxisanwendung in der Industrie ist aufgrund großer wirtschaftlicher Interessen nicht auszuschließen. Dabei steht aber weiterhin eine ökologisch verträgliche Kreislaufwirtschaft im Mittelpunkt.
Podcast: “Pilze als biobasierter Werkstoff: Geht das?”
Wer mehr über Pilzstoffe und deren Eigenschaften erfahren möchte, findet Antworten in der aktuellen Podcast-Folge von Ausgesprochen UMSICHTig. Hier erklären die Forscherinnen Julia Krayer und Lina Vieres, warum ihr Projekt doppelt nachhaltig ist und wie sie den Forschungsprozess selbst erlebt haben.
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