Der Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft hat seine diesjährigen Handlungsempfehlungen vorgelegt. Auf Basis der von der Prognos AG, dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) sowie dem Leonhard Obermeyer Center der TUM im Auftrag der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. erstellten Studie „Constructing Our Future. Planen. Bauen. Leben. Arbeiten“ formuliert der Rat seine Empfehlungen an Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft und legt dar, wie sich in Zukunft gleichermaßen bedarfsgerecht, kostengünstig und nachhaltig planen und bauen lässt.
Wolfram Hatz, Vorsitzender des Zukunftsrats der Bayerischen Wirtschaft und Präsident der vbw erklärt: „Die Anforderungen an Gebäude und Infrastrukturen verändern sich mit Blick auf den Klimaschutz, den Wandel in der Arbeitswelt, die Digitalisierung und die demografische Entwicklung gerade rasant.“
“Begrenzte Denksilos aufbrechen”
Prof. Thomas F. Hofmann, Co-Vorsitzender des Zukunftsrats der Bayerischen Wirtschaft und Präsident der TU München erläutert: „Die gebaute Umwelt ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die in den kommenden Jahren aufgrund von Klimawandel, wachsenden Städten und neuen Ansprüchen an die Infrastruktur besonders herausfordernd ist. Forschung und Lehre sind hier aufgerufen, Grundlagen für das Zusammenleben der Menschen und die Gesunderhaltung unseres Planeten zu schaffen. Der Einsatz von modernster Computertechnologie, Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen bietet völlig neue Möglichkeiten, das Entwerfen, Bauen und Betreiben von Gebäuden wirtschaftlich, effizient und ökologisch nachhaltig zu gestalten. Damit diese auch zum Tragen kommen, müssen wir begrenzte Denksilos aufbrechen, Wissen, Werkzeuge und Arbeitsweisen verschiedener Disziplinen zusammenführen und in partnerschaftlichen Ökosystemen von Universitäten, Wirtschaftsunternehmen, Technologiefirmen und Start-ups Innovationen effektiver in den Markt bringen.“
Der Umsatz im Bauhauptgewerbe hat in Deutschland im Jahr 2020 mit einem Plus von 6,6 Prozent auf annähernd 100 Milliarden Euro ein neues Allzeithoch erreicht. „Die Baubranche ist gut durch das erste Jahr der Corona-Pandemie gekommen und hat sich als Stütze der Konjunktur erwiesen“, betont Hatz und ergänzt: „Der Bausektor ist mit 66.000 Betrieben, 317.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 40 Milliarden Euro von zentraler Bedeutung für die bayerische Wirtschaft.“
Nachhaltigkeit: Nicht nur Neubauten im Fokus
Als größte Herausforderung für das Bauen der Zukunft sieht der Zukunftsrat das Thema Nachhaltigkeit, denn der Bau und Betrieb von Gebäuden sind für etwa 40 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Um im Bausektor Klimaneutralität zu erreichen, dürfen nach Ansicht des Rats aber nicht nur Neubauten in den Fokus genommen werden. „Mehr als drei Viertel der Wohngebäude im Freistaat sind älter als 30 Jahre. Unsere klare Aufgabe ist es deshalb, nicht nur klimagerecht zu bauen, sondern klimagerecht zu sanieren. Wir müssen den Gebäudebestand von heute an die Anforderungen von morgen und übermorgen anpassen. Unsere vielen vorhandenen Bauten stehen für eine Zukunft, wie man sie in der Vergangenheit gesehen hat“, erklärt Hatz.
Ökologisches Bauen erfordert bessere Datengrundlagen
Da der Bausektor zu den Branchen mit dem größten Verbrauch an Primärressourcen gehört, sind eine deutliche Steigerung der Ressourceneffizienz und mehr Kreislaufwirtschaft notwendig. Ökonomisches und ökologisches Bauen erfordert zudem wesentlich bessere Datengrundlagen. Hier fordert der Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft eine umfassende Digitalisierung des aktuellen Gebäudebestands. „Nur wenn wir den genauen Zustand des derzeitigen Gebäudebestands kennen, können wir konkret und zielgerichtet bei der Sanierung bestehender und Planung neuer Gebäude- und Infrastrukturprojekte vorgehen“, stellt Hatz klar. Ein wichtiger Impulsgeber für die Digitalisierung im Bauwesen ist dabei das Building Information Modeling (BIM), das alle Phasen im Lebenszyklus eines Bauwerks in digitalen Modellen abbildet, Wertschöpfung schafft und dem Bau-Fachkräftemangel entgegenwirkt.
Hatz weiter: „Unsere heutigen Gebäude sind in der Regel Einzelanfertigungen. Das serielle Bauen mit industriell vorgefertigten Modulen nach dem Baukastenprinzip erlaubt uns, effizienter und damit kostengünstiger zu bauen und zu sanieren. Hier muss das technologische Potenzial gezielt genutzt werden – gerade am Hightech-Standort Bayern.“ Eine weitere Automatisierung am Bau würde auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Nach Berechnungen der Prognos AG wird sich die potenzielle Arbeitskräftelücke im Baugewerbe in Deutschland bis 2030 auf rund 210.000 Personen belaufen.
Eine zentrale Rolle bei der Planung neuer Gebäude spielt die demografische Entwicklung und die sich verändernde Arbeitswelt. „Auf der einen Seite brauchen wir mehr barrierefreie und altersgerechte Wohnungen und auf der anderen Seite müssen wir darauf reagieren, dass durch vermehrtes Arbeiten im Homeoffice Wohnen und Arbeiten in vielen Fällen nicht mehr klar voneinander abzugrenzen ist. Corona verändert unsere Lebensweise nachhaltig und macht gerade den ländlichen Raum immer attraktiver. Darauf müssen wir reagieren, zum Beispiel mit einem zuverlässigen ÖPNV und einer besseren Versorgungsinfrastruktur“, so Hatz.
Über den Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft
Der Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft versteht sich seit seiner Gründung im Jahr 2014 als Impulsgeber für die erfolgreiche Weiterentwicklung des Technologie- und Innovationsstandorts Bayern. Er analysiert die großen technologischen Trends, die Bayern und Deutschland in den nächsten fünf bis zehn Jahren prägen und zeigt auf, welche Rahmenbedingungen in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und auch Gesellschaft erforderlich sind, um Innovationen zu fördern und in Wertschöpfung am Standort umzusetzen.
Die Studie sowie die Handlungsempfehlungen des Zukunftsrats der Bayerischen Wirtschaft stehen unter www.vbw-zukunftsrat.de zum Download zur Verfügung.