Jährlich werden weltweit über 400 Millionen Tonnen Kunststoff produziert. Die Baubranche besitzt mit etwa 65 Millionen Tonnen einen Anteil von 16 % und liegt damit auf Platz zwei der kunststoffverarbeitenden Industriezweige. Während Kunststoffe dazu beitragen können, die Energiebilanz von Gebäuden zu verbessern, stellen sie ein hohes Risiko für die Umwelt und Gesundheit dar. Doch wo wird Kunststoff überhaupt verwendet und wie können diese Risiken reduziert werden?
Stärken und Schwächen der Kunststoffe
Kunststoff zeichnet sich durch seine lange Lebenszeit, Flexibilität und Beständigkeit gegen Fäulnis und Korrosion aus. Bauteile aus Kunststoff sind leicht zu installieren und zu warten. Aufgrund der großen Herausforderungen im Bereich der Dauerhaftigkeit, Tragfähigkeit und Brandbeständigkeit spielen sie jedoch vorwiegend in untergeordneten, nicht tragenden Bauteilen wie Fenstern, Bodenbelägen, Rohren oder Abdichtungen eine Rolle. Der häufigste verwendete Kunststoff in der Baubranche ist PVC.
Es endet meist in einer thermischen Weiterverwertung
„Kunststoff herzustellen ist keine Kunst mehr, aber diesen Stoff zu beseitigen, ist eine Kunst“, mahnt der deutsche Mediziner und Aphoristiker Gerhard Uhlenbruck. Die Langlebigkeit und hohe Widerstandsfähigkeit von Kunststoff bilden ein hohes Umwelt- und Gesundheitsrisiko, sobald diese unkontrolliert in Gewässer, Böden oder Atemluft gelangen. Auch in Bezug auf Recycling stellt Kunststoff, gerade in der Baubranche, ein großes Problem dar: Der Kunststoff lässt sich nur sortenrein wiederverwerten. Häufig lässt sich das aber durch die derzeitigen Verbauarten nicht wirtschaftlich umsetzen, weshalb dieser häufig als Brennstoff weiterverwertet wird. Der hohe Heizwert der Kunststoffe fördert diese energetische Verwertung. Durch die Verbrennung entstehen gefährdende Stoffe, welche durch Filter aufgefangen und im Anschluss endgelagert werden.
Nicht in allen Ländern wird moderne und angemessene Filtertechnik eingesetzt. Deutschland exportiert pro Jahr etwa eine Million Tonnen Kunststoffabfälle. Das entspricht einem Sechstel aller erzeugten Kunststoffabfälle in Deutschland. Es kann nicht kontrolliert werden, auf welche Weise Kunststoff in den Export-Ländern verbrannt wird. Ein Stoff, der bei der Verbrennung von PVC entsteht, ist Chlor. In Verbindung mit Wasser wird dieser zu Salzsäure. Gelangt Chlor durch falsche Lagerung oder Verbrennung ohne Filteranlage in die Natur, kann es zu erheblichen Folgen durch dessen ätzende Wirkung kommen. Auch die CO2-Emissionen, welche durch die Produktion und Verbrennung von Kunststoff entstehen, schädigen die Umwelt. Im Jahr 2019 wurden durch diesen Industriezweig mehr als 850 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt.
Ein weiteres Problem ist die Verschmutzung von Gewässern. Nach Schätzungen treiben derzeit etwa 140 Millionen Tonnen Kunststoff im Meer, Tendenz weiter steigend. Kunststoff, welcher in die Meere gelangt, kann Tiere indirekt und direkt verletzen oder töten. Dabei bereitet nicht nur das Makroplastik wie Plastiktüten und Strohhalme den Ökologen Sorgen, sondern viel mehr die kleinen Partikel – das Mikro- und Nanoplastik, welche von Fischen und anderen Meerestieren aufgenommen werden.
Unterschiedliche Kunststoffe haben unterschiedliche Umwelteinwirkungen
Es müssen also Ansätze gefunden werden, um eine vollständige und gefahrlose Rückführung in technische oder biologische Kreisläufe zu ermöglichen und die Umwelteinwirkungen durch Treibhausgase zu minimieren. Bei der Wahl einer geeigneten Kunststoffsorte ist zunächst in recycelte, recyclebare sowie biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe zu unterscheiden. Das Recyceln von Kunststoff kann nur bei Thermoplasten vollzogen werden. Diese können als Granulat weiterverarbeitet werden. Produkte, in denen solche Granulate vorkommen – die also aus recyceltem Kunststoff bestehen – müssen aber nicht zwangsläufig wieder recyclebar sein. Durch die Mischung von unterschiedlichen Kunststoffen oder die Verklebung mit anderen Bauprodukten kann eine Wiederverwertung verhindert werden.
Daneben gibt es sogenannte biobasierte Kunststoffe, also Kunststoffe, welche auf Basis eines nachwachsenden Rohstoffs (z.B. Mais) hergestellt wurden. Doch Vorsicht, biobasiert bedeutet weder, dass sie wieder von der Natur abgebaut werden können, noch dass sie recycelbar sind. Anders verhält es sich mit biologisch abbaubaren, also kompostierbaren Kunststoffen. Diese sind durch natürliche Prozesse abbaubar. Doch auch hier sollte man im Hinterkopf behalten, dass der Abbauprozess geeignete Umgebungsbedingungen (Temperatur und Feuchtigkeit) und vor allem Zeit benötigt, und somit immer noch ein Risiko darstellt, sofern dieser unkontrolliert in die Umwelt gelangt. Laut den Untersuchungen zu den Umwelteinwirkungen von Verpackungen aus biologisch abbaubaren Kunststoffen vom Umweltbundesamt bestehen zwar Vorteile in Bezug auf den Klimawandel, den fossilen Ressourcenverbrauch und fotochemische Ozonbildung. Eindeutige Nachteile weist Bio-PE aber besonders im Bereich Versauerungs- und Eutrophierungspotential auf. Bio-PE kann zu einer Versauerung der Gewässer durch Absenkung des pH-Wertes führen. Damit wird der Lebensraum für viele Pflanzen- und Tierarten genommen. Zudem kann es zum Anstieg an Nährstoffen in Gewässern kommen, was zu einer Eutrophierung führt. Dabei wachsen durch den Überschuss nutzlose und schädliche Pflanzen, die ebenfalls das bestehende Gleichgewicht zerstören. Weiterhin besitzen kompostierbare Kunststoffe eine verringerte Dauerhaftigkeit, insbesondere dann, wenn sie Feuchtigkeit und höheren Temperaturen ausgesetzt sind. Oftmals kann Schutz dagegen jedoch durch eine geeignete Konstruktion gegeben werden.
Die Zukunft liegt in einer geeigneten Kunststoffauswahl und Konstruktionsweise
Ist der Einsatz eines biologisch abbaubaren Produktes nicht möglich, sollte zunächst die Frage beantwortet werden, ob bzw. wie eine Rückführung in technische Kreisläufe garantiert werden kann. Dafür muss der Kunststoff recyclebar sein und es müssen geeignete Recyclingverfahren lokal vorhanden sein, um dies auch wirtschaftlich umzusetzen. Die Recyclingquote kann durch geeignete Geschäftsmodelle und geeignete Kunststoffauswahl erhöht werden. Als nächster Schritt sollte darauf geachtet werden, dass der Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen besteht. Verbleiben nach diesem Schritt noch mehrere Kunststoffe, die infrage kämen, ist der Vergleich der Treibhausgasemissionen sinnvoll. Der CO2-Fußabdruck unterschiedlicher Kunststoffe unterscheidet sich zum Teil gravierend.
Das Problem des Recyclings
Recycling bietet eine große Möglichkeit, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Eine stoffliche Verwertung könnte jährlich 3,1 Millionen Tonnen CO2 in Deutschland einsparen. In der Baubranche gibt es jedoch noch keine Quote, die vorschreibt, wie viel recycelter Kunststoff in einem Produkt verarbeitet werden muss. Dennoch gehören die Kunststoff-Recyclingraten in der Baubranche mit 21,5 % zu den höchsten. „Wegen der Vorbehalte, die in vielen Fällen unbegründet sind, wird bei vielen Produkten nicht kommuniziert, dass sie recyceltes Material enthalten“, erwähnt UBA-Expertin Franziska Krüger. Auch dadurch ist die Verwendung solcher Produkte gehemmt. Qualitativ hochwertige Produkte können mit recyceltem Kunststoff hergestellt werden. Es sollte jedoch beachtet werden, dass bei einigen Kunststoffen dieser Prozess nicht ewig wiederholt werden kann. Physikalische und chemische Alterung und ein undefinierter Gehalt an Stabilisatoren bewirken einen Verlust der mechanischen, chemischen und thermischen Eigenschaften (vgl. Recycling Atlas S.75).
Um einen Downcycling-Prozess von recyceltem Baumaterial zu verhindern, müssen Kunststoffprodukte recycelbar bleiben. Weiterhin sollte darauf geachtet werden, dass der Kunststoff nach der Lebensdauer aus der Konstruktion wieder sortenrein getrennt werden kann und wirtschaftlich sowie ökologisch sinnvolle Verfahren für dessen Weiterverwendung existieren. Möglichkeiten wären Unterdeck-, Unterspann- und Fassadenbahnen aus PE-HD, Dampfbremsen aus PE-LD, Dachabdichtungsbahnen aus EPDM und Bitumenbahnen, welche lose verlegt werden. Letzteres lässt sich nach sortenreinem Rückbau wieder zu einer neuen Bitumenbahn verarbeiten.
Auch alternative Materialien erfüllen Kriterien
Gerade bei den erdunberührten Schichten an einem Gebäude eignen sich viele alternative Materialien. Besonders Holz steht Kunststoffen in vielen Bereichen am Gebäude in nichts nach. Im Bereich der Weiterverwertung bietet das Material viele Möglichkeiten, die auch für die Bauwerksabdichtung verwendet werden können. So können statt Unterspannbahnen auch Holzfaserplatten oder Dampfsperren aus Papier eingesetzt werden, welche in einem diffusionsoffenem Dachaufbau eingebaut werden können.
Im Bereich des Kunststoffersatzes lassen sich Fenster mit Stopfwolle statt mit Bauschaum abdichten, Fensterrahmen können aus Holz und Aluminium hergestellt werden. Auch Bodenbeläge z. B. aus Linoleum können sich durch kunststofffreie Beläge wie z. B. Holzparkett ersetzen lassen. Die in einem Wärmedämm-Verbundsystem verbaute EPS-Dämmung lässt sich durch Holzfaserdämmung austauschen. Ein Beispiel, wie sich nachhaltigere Baustoffe in der Sanierung verbauen lassen, zeigt sich in Karlsruhe: Dort wurde eine Dachsanierung eines 400 Jahre alten Fachwerkhauses mit Hilfe von Holzfaserplatten vorgenommen. Eine ähnliche Lösung kam auch beim Sanierungsprojekt in Waldshut-Schmitzingen zum Einsatz. Hier wurde oberhalb der Sparren Holzfaserdämmung angebracht.
Daneben finden auch Bauprodukte aus recyceltem Kunststoff immer mehr Anhänger. Über den Blauen Engel beispielsweise lassen sich Firmen finden, welche recycelten Kunststoff in ihren Bauprodukten einsetzen. Dazu zählen die Abdichtungen von SELIT oder die Wärmedämmung aus alten PET-Flaschen der Firma BTI Befestigungstechnik. Auch die Pollibricks des taiwanesischen Architekturprofessors Arthur Huang werden aus alten Plastikflaschen und -müll hergestellt. Diese Plastikhohlformen können auf der Baustelle übereinander an ein Stahlgerüst montiert werden. Die Firma Pretty Plastic aus Amsterdam setzt auf recycelten Kunststoff für Fassadenelemente. Durch die Verschiedenheit der Kunststoffabfälle entsteht ein interessanter Farbverlauf auf den Elementen.
Fazit: Kunststoff für langlebige Güter und Mehrweglösungen
“Kunststoff muss für langlebige Güter und Mehrweglösungen eingesetzt werden“, sagt der Bundesgeschäftsführer des NABU, Leif Miller. Und dies sollte auch für die Baubranche umgesetzt werden. Es gilt grundsätzlich alternative Lösungen zu Kunststoffen zu finden, um die Menge zu reduzieren. Falls Kunststoff verwendet wird, sollte darauf geachtet werden, dass dieser beim Verbau sortenrein bleibt. Bei der Materialauswahl sollten biobasierte Produkte bevorzugt eingesetzt werden, welche recyclebar oder biologisch abbaubar sind. So ist eine Mehrweglösung umsetzbar.