Die Preissteigerungen und Lieferengpässe für Baumaterialien wie Stahl, Dämmstoffe und Holz belasten die Branche und gefährden geplante Projekte. Droht dem klimafreundlichen Holzbau nun ein Rückschlag? Klimaforum Bau betrachtet Ursachen, Auswirkungen und Lösungsansätze.
Holzpreis: Steigerungen um bis zu 300 Prozent
„Unsere Unternehmen registrieren bei Preisanfragen zu verschiedenen Baumaterialien seit dem vierten Quartal 2020 Preissteigerungen, insbesondere bei Stahl, Holz wie auch Dämmstoffen, und das mit einer sehr dynamischen Entwicklung. Teilweise gibt es heute schon Lieferschwierigkeiten“, erklärte Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB), Ende März. Gegenüber September 2020 verzeichnet die Branche nach Angaben des Statistischen Bundesamtes Preiszuwächse bei Holz um ca. 15 -20 %, bei Dieselkraftstoff um 20 %, bei Mineralölerzeugnissen um 15 % und bei Betonstahl um fast 30 %.
Insbesondere beim Holz hat sich die Lage seither noch weiter zugespitzt: Die Niedersächsische Zimmerer-Innung berichtet von Preisanstiegen zwischen 100 und 300 Prozent bei Sparren, Balken und Brettern. Habe eine einfache Dachlatte im Dezember noch rund 75 Cent netto gekostet, stünden die Preise jetzt mancherorts bei 2,20 Euro. Das macht Holz inzwischen sogar an den Rohstoff-Börsen zum beliebten Spekulationsobjekt. “Dachlatten sind fast so viel wert wie Gold”, wird Frank Broschwitz, Betriebsteilleiter des Riesaer Holz- und Gartenfachmarktes Elbe-Holz, von der Sächsischen Zeitung zitiert.
Die Ursachen sind vielfältig: Klimawandel, Borkenkäfer, internationale Politik
Seit 2017 bis zum Herbst vergangenen Jahres war die europäische Marktsituation geprägt durch ein Überangebot an Schadholz, sogenanntes Kalamitätsholz. Der gravierende Borkenkäferbefall, andauernde Trockenheit und Stürme als Folgen des Klimawandels verursachten Waldschäden in historischen Ausmaßen. Sachsen erlebt die schlimmsten Schäden seit Beginn der Wald-Bewirtschaftung vor 200 Jahren, der Staatsbetrieb Sachsenforst meldet rund 82.000 Hektar geschädigten Wald. Auf zusätzlichen 7.500 Hektar seien Freiflächen entstanden. Damit sind 17 Prozent des gesamten Waldes in Sachsen von den Schäden betroffen. Das entspricht fast dreimal der Fläche der Landeshauptstadt Dresden.
Diese Entwicklung ließ den Preis für Rundholz zunächst sogar kräftig fallen, von über 80 Euro pro Festmeter Fichte auf durchschnittlich 30 Euro. Waldbesitzer und Forstbetriebe hatten das Nachsehen. Seit vergangenem Jahr aber stieg der Holzbedarf deutlich an: Zum einen wächst in Deutschland das Interesse an der Holzbauweise, zum anderen sorgt ein internationaler Bauboom auch für weltweit steigende Bedarfe. Verheerende Waldbrände in Kalifornien, Latschenkäfer-Ausbrüche in Nordamerika und Strafzölle der ehemaligen Trump-Regierung gegen Kanada haben zur Folge, dass die USA zunehmend Holz aus Deutschland importieren. Auch China und Indien gehören zu den Großabnehmern.
20 Millionen Festmeter Rund- und Schnittholz gingen nach Angaben des Bundesverbands der Deutschen Säge- und Holzindustrie 2020 in den Export – ein Plus gegenüber dem Vorjahr von 80 Prozent. Deutsche Sägewerke laufen seitdem an den Kapazitätsgrenzen, Holzhändler und Exporteure sind dankbar für das Ventil für die Holzschwemme und profitieren von den steigenden Weltmarktpreisen. Bei der Forstwirtschaft kommen diese Gewinne indes nur sehr verzögert an, weshalb der Deutsche Forstwirtschaftsrat bereits mit einem Sägestopp drohte.
Corona und das Forstschäden-Ausgleichsgesetz
Zu einer weiteren, künstlichen Ursache für die Verknappung des Angebots könnte sich ein politisches Instrument entwickeln, das eigentlich den starken Preisverfall durch das Überangebot an Schadholz bremsen sollte. Das am 26. März beschlossene „Forstschäden-Ausgleichsgesetz“ begrenzt den Fichteneinschlag im Forstwirtschaftsjahr 2021 auf 85 Prozent des Durchschnitts der Jahre 2013 bis 2017. „Das war zum Zeitpunkt des Erlasses sinnvoll, verschärft allerdings heute die Situation“, kritisiert Peter Aicher, Vorsitzender des Interessenverbandes Holzbau Deutschland.
„2018 oder 2019, als sich die großen Waldschäden abgezeichnet haben, hätte die Einschlagsbeschränkung vielleicht noch etwas gebracht. Nun greift der Staat zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt in den Markt ein“, stimmt auch Leonhard Nossol, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Rohholz e. V. (AGR), ein. „Forstbetriebe können trotz hoher Preise bald kein Fichtenholz mehr verkaufen und der Industrie wird die Rohstoffversorgung abgeschnitten. Noch könnte man gegensteuern und sollte die Einschlagsbeschränkung schnellstmöglich aufheben“, so sein Vorschlag.
Schließlich trägt auch die Corona-Pandemie gleich auf zwei Arten zur Baustoff-Krise bei: Einerseits werden Geld und Zeit, die zum Beispiel für Reisen gedacht waren, nun in Sanierungen oder Hausneubauten „umgeschichtet“. Andererseits führen vorsorgliche Einschränkungen, Quarantäne- und Krankheitsfälle zu Verzögerungen in den Lieferketten. Hinzu kommt eine Reihe von Zwischenfällen wie die Schiffshavarie im Suezkanal, die dem gesamten Baustoffhandel zusetzen.
Verfügbarkeit regionaler Hölzer elementar für den Klimaschutz
„Die Holzbauweise bietet enorme Möglichkeiten für den Klimaschutz. Sie ist eine wichtige Säule, um die deutschen und weltweiten Klimaschutzziele bis 2050 zu erreichen. Wir müssen alles daransetzen, dass dieses Ziel nicht durch die aktuell angespannte Marktsituation bei der Verfügbarkeit von Holz gefährdet wird“, mahnt Peter Aicher. Stattdessen werden die CO2-Vorteile des Holzbaus durch den Export konterkariert. Nicht nur die langen Transportwege verursachen zusätzliche Treibhausgasemissionen. Zur Käferbekämpfung muss das Holz auch noch mit klimaschädlichen Gasen behandelt werden.
Doch nicht nur der Export ist aus Sicht des Klimaschutzes bedenklich. Die aktuellen Preissprünge verteuern viele geplante Bauprojekte schlagartig. Im baden-württembergischen Blumberg etwa stand ein neuer Schulcampus in Holz-Hybrid-Bauweise eigentlich kurz vor dem Spatenstich. Die explodierenden Holzpreise aber hätten zusätzliche Kosten von mehr als einer halben Million Euro verursacht. Ende April stimmte der Gemeinderat deshalb für eine Umplanung in Stahl-Beton-Bauweise. Das verursacht zwar 125.000 Euro mehr Planungskosten, davon sei aber noch eine Ersparnis an Materialkosten von rund 90.000 Euro abzuziehen.
Preisaufschläge und Verzögerungen am Bau
Auch in Sachsen treibt die aktuelle Situation die Baukosten in die Höhe. Wie die Sächsische Zeitung berichtet, erwarten die TU Dresden für die Sanierung des Beyerbaus inzwischen Mehrkosten von 100.000 Euro gegenüber den einst kalkulierten Preisen. Der Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) bestätige „unerwartete Preisaufschläge“ zum Beispiel beim Neubau der Justizvollzugsanstalt Zwickau. Perspektivisch drohen zahlreichen Bauprojekten sogar Verzögerungen oder gar der Stillstand wegen Materialmangels, warnt der Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW). „Fest geplante Übergabetermine sind in Gefahr, Finanzierungspläne kommen ins Schwanken. Schon jetzt liegt der Verzug auf vielen Baustellen bei zwei bis vier Wochen“, so BFW-Präsident Andreas Ibel.
Die Holzbauindustrie befürchtet zudem, dass die Preisentwicklung das Potential habe, am Image des Holzbaus zu rütteln. Einer Umfrage des Brancheninformationsdienstes holzkurier am Ende des ersten Quartals zufolge sank der Anteil der Holzbauunternehmen, die mit einem weiter steigenden Holzbauanteil rechnen, von rund 80 Prozent auf nur noch etwa die Hälfte; 27 Prozent glauben, dass dieser stagniert, und 16 Prozent gehen sogar von einer Abnahme aus.
Bauunternehmen unter Druck, Zimmerer appellieren an die Politik
Derzeit bieten viele Baustofflieferanten nur sehr kurze Bindefristen, zum Teil auch nur Tagespreise an. Diese Preissprünge stellen Bauunternehmen bei der Kalkulation neuer Aufträge vor immense Probleme und lassen jede Kalkulation zu einem unberechenbaren Risiko werden. „Gerade bei langlaufenden Bauprojekten führt diese Entwicklung zu großen Problemen in den Bauunternehmen, wenn noch zu wesentlich niedrigeren Preisen kalkuliert wurde und diese Kosten nicht weitergegeben werden können“, erklärt Dr. Robert Momberg, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Ost e. V. Er fordert Auftraggeber daher auf, sogenannte Stoffpreisgleitklauseln zu vereinbaren, um bei etwaigen Kostensteigerungen einen gerechten Ausgleich zwischen Auftragnehmern und Auftraggebern zu erreichen.
Die Holzbaubetriebe appellieren zudem an die Politik: „Es darf nicht sein, dass dem nachhaltigen Bauen [durch den vermehrten Export von europäischem Bauholz] ein Bein gestellt wird.“ In einem knapp dreieinhalb-minütigen Video stellt Unternehmer Benjamin Stocksiefen die Frage: „Verkaufen wir unsere Nachhaltigkeit an das Ausland?“ Vereint mit vier weiteren Fachkolleg:innen erläutern sie die Situation und fordern Maßnahmen wie Ausfuhrzölle oder anderweitige Beschränkungen, um Abhilfe zu schaffen. In den sozialen Medien wurde das Video mittlerweile über 100.000-mal abgerufen.
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Lösungsansätze: Kalamitätsholz konstruktiv nutzen
Über politische Eingriffe hinaus sehen Experten vor allem drei Lösungsansätze. Zuerst gilt es, den Rohstoff Holz verantwortungsvoll und ressourcenschonend einzusetzen. Auch wenn Holz durch Umwelteinflüsse oder den Borkenkäfer gezeichnet sei, stelle es dadurch keinen minderwertigen Rohstoff dar, sondern verfüge über nahezu identische Eigenschaften wie herkömmliches Bauholz, erläutert Peter Aicher. Im Weiterverarbeitungsprozess würden Schadinsekten zuverlässig abgetötet und jedes Stück Schnittholz gemäß DIN-Norm 4074 dürfe als tragendes Holz zum Einsatz kommen.
Holzbau Deutschland appelliert daher an die öffentliche Hand ebenso wie an Architekten und Bauherren, verstärkt regionales Kalamitätsholz zu nutzen bzw. dies auch in Ausschreibungen festzulegen. Der effiziente Umgang meint außerdem den Einsatz moderner Baumethoden wie die der Holzrahmenkonstruktion. Dadurch ließen sich der Holzverbrauch so gering wie möglich halten und darüber hinaus energie- und flächensparende Gebäude mit sehr guten Dämmwerten bei relativ geringen Wandstärken errichten. Gleichzeitig sollten Bauunternehmen „Hamsterkäufe unterlassen und Holz mit Augenmaß bestellt werden, um die Marktlage nicht weiter zu verschärfen“, so Aicher.
Regionale Wertschöpfungsketten stärken
Der Baden-Württembergische Forstminister Peter Hauk ruft Waldbesitzer zudem dazu auf, das noch in den Nasslagern zur Konservierung zwischengelagerte Holz rasch den Sägewerken bereitzustellen und bei der Vermarktung die regional ansässigen Betriebe ausreichend zu versorgen. Die verstärkte Einrichtung von Nasslagerplätzen zur Lagerung von Rundholz sowie längerfristige Lieferverträge würden dazu beitragen, immer wiederkehrende Marktspitzen zu glätten.
An runden Tischen mit Waldbesitzer:innen, Sägewerks-Betrieben und Zimmerer-Innungen müssen vor Ort Konzepte für regionale Kreisläufe entwickelt werden, um die regionalen Wertschöpfungsketten zu stärken. Andreas Amorth, Prokurist bei ZÜBLIN Timber, zum Beispiel berichtet: „Unser strategisches Einkaufsteam sucht gemeinsam mit unseren Sägewerkspartnerinnen und -partnern nach Lösungen, um die Holzversorgung unserer Produktion zu sichern. […] Neben den langjährig bestehenden und bewährten Lieferantenstrukturen suchen wir den Kontakt zur regionalen Forstwirtschaft, der ursprünglichen Quelle des Rohstoffs. Nach wie vor legen wir den Schwerpunkt auf etablierte Lieferantenstrukturen, versuchen aber zusätzlich neue Wege zu eröffnen, um mögliche Ausfälle zu kompensieren. Die zielführenden Gespräche mit den Waldbauernvereinigungen und Forstbetriebsgemeinschaften vor der Haustür mündeten bereits in ersten Lieferungen. Mehrere lokale Sägewerke unterstützen uns und schneiden das Rundholz termin- und bedarfsgerecht ein.“
Anpassung der Wälder an den Klimawandel
Langfristig schließlich ist ein Umbau der Wälder zur Anpassung an den Klimawandel unumgänglich. Schon seit etwa 30 Jahren reduzieren Forstbesitzer sukzessive den immensen Anteil der Fichtenhölzer in Deutschland, das Haupteinfallstor der Borkenkäfer. Stattdessen werden klimawandel-resistentere Laubhölzer und Pfahlwurzler gepflanzt. „Wir stehen vor der Generationenaufgabe, unsere Wälder an den Klimawandel anzupassen. Dafür brauchen wir stabile, arten- und strukturreiche, leistungsfähige Mischwälder“, betont Sachsens Forstminister Wolfram Günther.
Fazit
Die Frage, ob diese Entwicklungen den Klimaschutz im Bausektor gefährden, muss also zumindest zum aktuellen Zeitpunkt angesichts umgeplanter Projekte und überproportionaler Preissteigerungen für Holz mit einem „Ja“ beantwortet werden. Mittelfristig wagen nur wenige Branchenkenner Prognosen, viele aber setzen auf die Regulierungsmechanismen der Märkte. „Die preisliche Situation wird sich voraussichtlich beruhigen. […] Langfristig wird erwartet, dass sich Holz um etwa 10 Prozent verteuert. Diese Preissteigerung ist verkraftbar“, ist sich Peter Aicher sicher. Dazu beitragen werden handelspolitische Entspannungen ebenso wie eine allmähliche Entschärfung der Pandemie-Situation. Auch Melinda Hahnemann, Sprecherin des Bayerischen Holzverbandes, beruhigt: „Es gibt in Deutschland genug Holz aus eigener Produktion, daher haben wir keine dauerhafte Holzknappheit, sondern eine störungsbedingte Nachfragespitze.“
Tatsächlich gehört Deutschland mit 32 Prozent der Landesfläche zu den waldreichsten Ländern Europas und verfügt über Holzvorräte von rund 3,7 Milliarden Kubikmeter. Allein in den Brandenburg wachse innerhalb von 50 Tagen ausreichend Holz für 17.000 Wohnungen nach, rechnete Denny Ohnesorge vor, Geschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Holzindustrie. Entscheidend für die Stabilisierung dürften daher die Entwicklung der internationalen Nachfrage und ggf. politische Eingriffe sein. „Der Staat ist hier in der Pflicht, die Zulieferwege zu sichern. Sonst besteht die Gefahr, dass sich die Preisspirale immer weiter nach oben dreht und Betriebe ihre kalkulierten Angebotspreise nicht mehr halten können“, fordert Andreas Brzezinski, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Dresden.
Nicht zuletzt dürfte ein allgemeiner Preisanstieg bei Baustoffen außerdem dazu führen, dass weniger oder kleiner gebaut wird und Recyclingmaterialien ggf. wirtschaftlich konkurrenzfähig werden. So fordert der ZDB bereits, das Recycling mineralischer Baustoffe müsse „mehr Fahrt aufnehmen“. Ebenso kann unbehandeltes Holz, das in Deutschland überwiegend verbaut wird, nach einer Nutzungsphase von vielen Dekaden noch gereinigt und weiterverwendet werden. Für den Klimaschutz wäre ein so nachhaltigerer Umgang mit wertvollen Rohstoffen eine wünschenswerte Entwicklung.